Viel Theater um die Musik: Wie geht es mit der Oper weiter?
Von Georg Leyrer
Oper, sagt William Kentridge, ist „immer zu viel: Sie ist die Freude am Exzess“.
Oper ist aber auch, das bringt der Band „Die letzten Tage der Oper“ auf den Punkt, eine Kulturform, die vor vielen Fragen steht. Wie eh schon immer, könnte man anmerken. Die Fragen aber sind neu – und werden in dem Buch von Stars der Opernszene behandelt.
Wie also geht es weiter mit einer teuren Kulturform, die – außerhalb der Opern-Oase Wien – zuletzt mit Publikums- und Finanzierungskrisen zu kämpfen hatte, die immer wieder dasselbe zeigt und in der die Besucher in großen Teilen auf jeden inszenatorischen Eingriff allergisch reagieren? Reicht es, immer das Gleiche in neuem Gewand zu tun? Und wie entkommt man der allgegenwärtigen Diversifizierungsrhetorik, wenn, wie Kentridge sagt, „98 Prozent der Werke von weißen Männern“ geschrieben sind?
Bekannte Noten
Zu Mozarts Zeiten, sagt Staatsoperndirektor Bogdan Roščić am Sonntag bei der Präsentation des Buches in Wien, war es selbstverständlich, dass die aufgeführten Opern neu waren. Heute aber lassen manche Abonnenten lieber ihre bereits bezahlten Karten verfallen, als Ligetis „Le Grand Macabre“ „einmal Probe zu fahren“.
Auch Kentridge, der als Künstler und Opernregisseur herausragendes Musiktheater geschaffen hat, beschrieb eine der Freuden an der Oper als das Paradox, dass man jede Note und Szene bereits kennt: „Man würde einen Film nicht 17 Mal anschauen“, eine Oper aber schon.
Roščić ist für Kurshalten: „Die Oper ist jeden Abend voll. Ihre letzten Tage werden anbrechen, wenn es nicht mehr genügend Menschen gibt, die sich von ihr berühren lassen. Ich glaube nicht, dass das passieren wird.“
Wie aber spricht Oper zur – oder gar über die Gegenwart? Kentridge sagt: Für die Arbeit an der Oper inspiriere ihn, wenn er eine Frage findet, die „größer ist als das, was im Libretto verhandelt wird“. Oper erzähle von der „Unbeständigkeit der Objekte unserer Begierde.“ Die Oper selbst aber, so schreibt er in dem vom stv. KURIER-Chefredakteur Gert Korentschnig mitherausgegebenen Band, erzeuge beständig das Verlangen, sie wieder zu erleben.