Kultur

Venedig: "Swimmingpool"-Neuauflage enttäuscht

Autogramme geben genügt heute nicht mehr. Der Star muss mit aufs Selfie. Und so arbeiteten sich Tilda Swinton, Ralph Fiennes und Dakota Johnson ("Fifty Shades of Grey") auf dem roten Teppich in Venedig geduldig an ihren Fans vorbei; kritzelten ihre Namen auf Programmhefte – und hielten höflich grinsend ihre Wangen an die ihrer Verehrer(-innen), um sich mit ihnen ablichten zu lassen.

Swinton, Fiennes und Johnson zählen zum prominenten Ensemble, das in dem italienischen Wettbewerbsbeitrag von Luca Guadagnino, "A Bigger Splash", zwar nicht unbedingt Furore macht, aber in dem zumindest streckenweise unterhaltsamen Gefühlsthriller für erotische Spannung sorgt.

Es gebe Momente im Leben, da möchte man einfach lieber schweigen, erzählte Oscarpreisträgerin Swinton der Presse. Genau so sei es ihr ergangen, als man ihr die Rolle in "A Bigger Splash" angeboten habe: "Ich war an eine Punkt angekommen, wo ich nichts sagen wollte."

Absagen aber wollte sie den Part, den einst Romy Schneider spielte, auch nicht, denn Guadagnino plante ein Remake des Kultfilms "Der Swimmingpool" von 1969. Da kam Swinton die rettende Idee: Sie spielt einen Rockstar namens Marianne, der gerade eine Operation hinter sich hat und nicht, oder nur flüsternd sprechen kann: "Das war mein Beitrag zu der Rolle", sagte die ewig schöne 54-jährige Britin: "Ich versuche immer, etwas Persönliches aus meinem Leben einfließen zu lassen."

Persönlich wurde es auch für Ralph Fiennes, der den Tanzbären in sich entdeckte: Er spielt Mariannes Ex-Freund Harry und taucht in dem italienischen Ferienhaus auf, in dem Marianne mit ihrem Lover Urlaub macht. Harry hat seine Tochter Penny (Dakota Johnson in Lolita-Pose) im Schlepptau und bringt Unruhe mit sich: An einer Stelle legt er eine Platte von den Rolling Stones auf und beginnt entfesselt zu tanzen. Diese Szene, in der Ralph Fiennes das Haus rockt, gehört zu den lustigsten Momenten: So viel Temperament hätte man dem gediegenen Briten gar nicht zugetraut. Doch ab der zweiten Hälfte des Films gibt Guadagnino die Spannungsfäden aus der Hand: Die angestrebte emotionale Intensität zwischen den Figuren will sich nicht recht einstellen, die Handlung kippt in die Farce. Als Beitrag im Wettbewerb war "A Bigger Splash" letztlich enttäuschend: Die Buhrufe blieben unüberhörbar.

Attentat

Mit Gepfeife wurde auch der Film des israelischen Regisseurs Amos Gitai, "Rabin, the Last Day", begrüßt – allerdings nicht, weil er so schlecht war, sondern weil er zwanzig Minuten lang ohne englische Untertitel lief. So lange dauerte es, bis jemand auf die gute Idee kam, einen Vorhang unterhalb der Leinwand beiseite zu ziehen, hinter dem sich die Untertitel versteckten.

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"In Rabin, the Last Day" rekonstruiert Gitai in einem dichten, aufwühlenden Kammerspiel das Attentat auf Premierminister Yitzhak Rabin, der am 4. November 1995 von einem rechtsextremen jüdischen Siedler erschossen wurde. Eine Kommission tritt zusammen, um im Detail nachzuvollziehen, wie es zu dem Unglück kommen konnte. Die Ergebnisse sind verheerend: So war es dem Attentäter möglich, sich eine Stunde lang unbemerkt zwischen Polizisten und Bodyguards aufzuhalten, bevor er abdrückte. Gitai mischt Originalaufnahmen mit nachgespielten Szenen und verwebt sie zur bedrückenden Momentaufnahme einer Gesellschaft, in der der Hass gegen Rabin und seine Bemühungen um Frieden mit den Palästinensern einen blutigen Höhepunkt erreicht. Jene Menschen, die damals die Atmosphäre der Gewalt möglich gemacht und mitgetragen haben, bestimmen heute das Geschick des Landes, so Gitais glasklare Ansage: Jemand wie Benjamin Netanyahu, Israels Ministerpräsident.