Kultur

Venedig: Smarter Brosnan, seltsamer Phoenix

Eines muss man in Venedig nicht: viel Schlange stehen. Gerade mal die Premiere von Thomas Paul Andersons brillanter Sektenstudie "The Master" sorgte für knallvolle Säle. Ansonsten hat man das Gefühl, dass man sich um seinen Sitzplatz im Kino – ganz im Gegensatz zu Cannes, wo immer die Massen toben – keine großen Sorgen machen muss. "Venedig ist arm geworden", unkt eine Journalistin mit Durchblick und malt gar den Teufel an die Wand. Wenn das so weiter ginge, müsse man sich um das Fortbestehen des ältesten Festivals der Welt Sorgen machen. Auch andere Kollegen bestätigen diese Beobachtungen. Bereits in den letzten Jahren hätte die Fülle an Menschen, die sich auf dem Festivalgelände tummelten, einfach spürbar abgenommen.

Zur Ursachenerklärung gibt es viele Meinungen. Zum einen zählt das Filmfestival in Toronto zum großen Konkurrenten von Venedig. Heuer findet es beinahe zeitgleich mit Venedig statt und zieht mit seinem wichtigen Filmmarkt die Besucher aus der Verleiher- und Produzentenbranche ab. Zwar versucht der neue Festivaldirektor Alberto Barbera mit der Einführung eines Filmmarktes heuer erstmals diesem "Mangel" entgegen zu steuern; aber ein ernsthafter Markt findet sich in Venedig trotzdem noch lange nicht. Und so kommt es, dass etwa ein US-Star wie Ben Affleck, der eine Hauptrolle in Terrence Malicks pathetischem Filmgedicht "To the Wonder" spielte, zur Premiere nicht nach Venedig kommt. Stattdessen begleitet er lieber seinen eigenen, neuen Film "Argo" nach Toronto. Warum Barbera nicht "Argo" auch nach Venedig eingeladen hat, um sich so gleich einen weiteren Star und seine neue Produktion zu sichern, weiß man nicht. Vielleicht hat er es verabsäumt, vielleicht wollte Affleck auch einfach lieber nach Toronto gehen. In jedem Fall bedeutet das einen glamourösen Besucher weniger auf einer ohnehin schon mageren Promi-Liste. Und auch der Abgang von Marco Müller, Venedigs ehemaliger, bestens vernetzter Direktor, der jetzt das Filmfestival in Rom übernimmt, trug nicht gerade zum Standing vom Festival in Venedig bei.

Immerhin fanden ein paar wichtige Menschen den Weg an den Lido. Paul Thomas Anderson tanzte mit seiner Crew aus "The Master" an und hatte Method-Acting-Stars wie Philip Seymour Hoffman und Joaquin Phoenix im Gepäck. Besonders Phoenix gilt als schwerer Fall, gerade was seine öffentlichen Auftritte betrifft. Während der Pressekonferenz machte er durchwegs den Eindruck, als wäre er total zugedröhnt und nicht Herr seines eigenen Gehirns. Jede an ihn gerichtete Frage beantwortete er mit einem schleppenden "I don`t know". Nach zehn Minuten musst er überhaupt den Raum verlassen, um irgendwann wieder zu kommen und sich am Podium eine Zigarette anzurauchen. Für sein erratisches Verhalten ist Phoenix berühmt-berüchtigt. Vor zwei Jahren stellte er seine Fake-Doku "I`m still here" mit sich selbst in der Hauptrolle vor, in der er laufend solche Auftritte im US-Fernsehen bestritt und sich als fertiges Drogenwrack präsentierte. Nachher wurde alles als "nur gespielt" enthüllt – so gesehen lässt sich schwer abschätzen, inwieweit Phoenix tatsächlich neben sich steht oder einfach nur diese Rolle ewig spielt. Aber womöglich macht es auch keinen Unterschied mehr.

Da ist der aufgeräumte Pierce Brosnan schon ein ganz anderer Kaliber an guter Laune und gefälliger Gesprächigkeit. Im hellen Sommer-Anzug und wie aus dem Ei gepellt, plauderte Ex-James Bond mit den anwesenden Journalisten über seine Rolle in dem (leider völlig unerheblichen) Komödchen von Susanne Bier "All You Nee Is Love", das (zum Glück) außer Konkurrenz gezeigt wurde. "Ich höre meine biologische Uhr ticken", sagt der bald 60jährige Brosnan und meint damit das dräuende Alter, das auch an einer Schönheit wie der seinen kratzen könnten.

Nicht dass er so aussieht, als müsste er sich schon ernsthafte Sorgen machen. Aber diesen Satz, den man typischerweise den Frauen in den Mund legt, einen Pierce Brosnan sagen zu hören, ist eigentlich ganz sympathisch.

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