Filmkritik zu "Vaiana 2": Rüttelhuhn mit rosa Ferkel
Von Alexandra Seibel
Wie immer in Hollywood: Alles, was an den Kinokassen Erfolg hat, geht in Fortsetzung. So auch Disneys Animationshit „Vaiana“. Der hochgelobte Musical-Weihnachtsfilm von 2016 bot alles auf, was das Publikumsherz begehrt: Eine liebenswerte Titelheldin in einer originellen Geschichte, musikalisch begleitet von erinnerungswürdigen Songs wie Helene Fischers „Ich bin bereit“. Zudem punktete der erste im Computer animierte Film des bewährten Regie-Duos Ron Clements und John Musker – verantwortlich für Klassiker wie „Arielle, die kleine Meerjungfrau“ – mit fein ziselierter Animation, feurigen Farben und inspiriertem Erzähltempo. Knackige Dialoge auf hohem Witzniveau wechselten sich mit einfallsreichen Action-Ideen ab und beschleunigten eine klassische, aber nicht altmodisch erzählte Abenteuer-Geschichte.
Acht Jahre hat es gedauert, ehe das Maus-Studio nun mit der Fortsetzung herausrückte. Unter neuer Regie erfüllte es alle Erwartungen, die oft mit einem Sequel einhergehen: Es enttäuscht.
Zwar stehen in „Vaiana 2“ wieder die charismatischen Hauptcharaktere Vaiana und der etwas eitle Halbgott Maui im Zentrum. Doch deren gewiefte Eigenheiten, die im ersten Teil für ein großes Maß an Esprit sorgten – etwa Mauis witzige Lebend-Tattoos, die wie Comic-Strip über seine Muckis galoppieren – sind mittlerweile altbekannt. Auch Vaianas mageres Rüttelhuhn Heihei, das mit seinen schielenden Ping-Pong-Augenbällen nur selten ein Korn findet, kann als komischer Sidekick nicht mehr so recht punkten.
Neue Figuren müssen her. Zum Huhn gesellt sich prominent das rosa Ferkel Pua, das im ersten Teil nur eine kleine Rolle spielte, herzig aussieht, ansonsten aber kaum (komische) Talente aufweist. Zudem bricht Vaiana nicht mehr alleine ins neue Abenteuer auf, sondern bekommt einige Dorfbewohner als Crew zur Seite gestellt. Unter ihnen befindet sich beispielsweise ein jammernder alter Bauer, der nicht schwimmen kann und nichts mehr hasst, als zur See zu fahren. Warum gerade er mitkommen muss, ist nicht ganz einzusehen – und auch nicht übermäßig lustig.
Das Abenteuer selbst fühlt sich an den Haaren herbei geschrieben an, will nicht so recht in die Gänge kommen und bleibt episodisch. Das liegt vielleicht auch daran, dass ursprünglich eine TV-Serie anstelle einer Filmfortsetzung angedacht war.
Böse Muschel
Eine verfluchte Insel muss befreit werden, um die polynesischen Völker wieder zu vereinen. Eine bösartige Muschel in der Größe eines Gebirges öffnet ihre Schalen, verschluckt Vaianas Schiff und zieht es in seinen psychedelischen Schlund. Auch ein Seeungeheuer erhebt sein Haupt aus den Tiefen des Meeres und sorgt für neonfarbige Action.
All das sieht toll aus, denn die Animation – das muss man der Fortsetzung lassen – bewegt sich auf höchstem Niveau. Der Gesang ist gefällig, wenngleich sich – zumindest beim erstmaligen Hinhorchen – kein Ohrwurm in den Gehörgang bohrt. Den Kindern aber wird’s gefallen, den Einspielergebnissen an den Kinokassen aller Voraussicht nach auch. Doch die Vorfreude, dass nach „Vaiana 2“ ein Remake von „Vaiana 1“ als Live-Action-Abenteuer mit Dwayne Johnson als Maui angekündigt ist, hält sich in Grenzen.
INFO: USA 2024/KAN. 100 Min. Von David G. Derrick Jr., Jason Hand, Dana Ledoux Miller. Mit den Stimme von Lina Larissa Strahl, David Mayonga.