Kultur

Katastrophaler Familienurlaub im Mietauto

Ein "R-Rating" für eine Familienkomödie ist ungewöhnlich, aber schwerwiegend: Es bedeutet, dass Jugendliche unter 17 nicht ohne die Begleitung eines Erwachsenen ins Kino dürfen. Dass "Vacation" diese Wertung ausgefasst hat, liegt vielleicht auch an den beiden Buben, die in der deftigen Roadtrip-Komödie auf dem Hintersitz des Familienautos hocken – vor allem an dem jüngeren: Er flucht wie ein Bierkutscher und ärgert gerne seinen Bruder, indem er ihm ein Plastiksackerl über den Kopf zieht.

Scherze, die Zensoren offenbar nicht für jugendfrei halten. Aber so ein Ausflug mit der Familie kann ja auch ganz schön eng werden. Der Vater laut singend hinter dem Lenkrad, daneben verkniffen die Mutter mit ihrem Buch, die Kinder streitend am Rücksitz. Und alles nur, weil sich der Vater einbildet, eine Reise antreten zu müssen, die er als Kind bereits mit dem eigenen Vater gemacht hat.

Tatsächlich ist "Vacation" eine lose Fortsetzung der Erfolgskomödie "Die schrillen Vier auf Achse" von 1983: Damals saß noch Chevy Chase als Clark Griswold hinter dem Steuer und fuhr seine Familie Richtung Vergnügungspark. Nun ist sein erwachsener Sohn Rusty – gespielt von Komik-Routinier Ed Helms aus der "Hangover"-Trilogie – mit seiner Frau Debbie (einer tapferen Christina Applegate) an der Reihe.

Tapfer deswegen, weil Applegate sicher eine der exzessivsten Speib-Szenen der heurigen Kinosaison zu spielen hat. Und dass sie auf dem Collage den Spitznamen "Debbie-do-anything" trug ("Sie steckte ihren Finger in den Penis des Dekans", erzählt eine Studentin bewundernd), freut den Ehemann mäßig. Ohnehin bewegt sich der Humor eher im unteren Begehrungsvermögen.

So nimmt die Familie versehentlich ein Bad in einer Kloake und reibt sich genüsslich mit Fäkalien ein ("Gut für die Haut"). Das Vergnügen hat erst ein Ende, als Rusty eine abgeschnittene Ohrmuschel entdeckt.

Falscher Knopf

Aber es geht auch dezenter: Allein das pummelige, albanische Mietauto, das Rusty angemietet hat, ist Komödie für sich. Aus dem Navi-Gerät brüllt eine Stimme auf Nordkoreanisch Richtungsanweisungen wie Mordbefehle. Drückt man einen falschen Knopf, beginnt plötzlich der Fahrersitz zu rotieren. Oder das Auto wirft seine hintere Stoßstange ab.Chris Hemsworth gibt eine (etwas übertriebene) Selbstparodie auf seine Götterrolle "Thor" und führt in enger Unterhose gut sichtbar sein großes Gemächt spazieren. Wie gesagt: Übermäßig "sophisticated" ist "Vacation" nicht. Aber ziemlich lustig.

INFO: Vacation. USA 2015. Von Jonathan Goldstein, John Francis Daley. Mit Ed Helms, C. Applegate.

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Beinahe hätte Eminem die Rolle übernommen. Doch dann konzentrierte er sich lieber auf den Soundtrack. So schlug Jake Gyllenhaals große Stunde: Gut möglich, dass er für seine Totalverwandlung in einen austrainierten Preisboxer in Antoine Fuquas hochpoliertem Drama eine Oscar-Nominierung erhält.

Gyllenhaal als Billy Hope, Weltmeister im Halbschwergewicht, schwitzt, keucht, weint, knirscht mit den Zähnen und spuckt Blut, dass es eine Freude ist. Zumeist in Großaufnahmen oder gleich in Zeitlupe, damit man ihn besser sehen kann. Das Überwältigungskino von Fuqua, Regisseur von Kalibern wie "Training Day", hält sich nicht mit Subtilitäten auf.

Es beginnt damit, dass Billy Hope gerade erfolgreich seinen Titel verteidigt – und man weiß von Sekunde Null an, wie es weiter geht: Auf den Höhepunkt folgt der tiefe Fall, danach das große Comeback. Alt bewährtes Strickmuster, dem der Regisseur nicht viel hinzuzufügen hat.

Außer vielleicht, dass er es mit dem "tiefen Fall" etwas übertreibt. Eine geschlagene Stunde lang prasseln die Schicksalsschläge auf Billy hernieder wie auf das Haupt von Hiob. Gott muss sehr böse auf ihn sein. Oder Fuqua nicht übermäßig einfallsreich, was Dramaturgie betrifft. Mit beispielloser Humorlosigkeit tigert sich Fuqua durch die Tiefen seiner holzschnittartigen Tragödie, deren Ausmaß an Sadismus grenzt – und ehrlich ermüdet. Gerade noch war Billy Boxweltmeister, schon findet er sich als Kloputzer wieder.

Gyllenhaal hat sich mächtig angestrengt, um seinen Körper auf das Format eines Preisboxer aufzupimpen. Die Schwerarbeit sieht man ihm an. Und ringt – wenn schon nicht Begeisterung, so doch Bewunderung ab. Auch die Boxer-Szenen entfalten eine sogartige Dynamik, mit einer Kamera, die sich mitten in den Kampf stürzt. Für schöne, berührende Momente sorgt Forest Whitacker als Boxtrainer, der Billy aus seinem Tief hilft. Auch er ein klarer Anwärter für einen Oscar – als bester Nebendarsteller.

INFO: "Southpaw". Boxer-Drama. USA 2015. 124 Min. Von Antoine Fuqua. Mit Jake Gyllenhaal, Rachel McAdams, F. Whitacker.

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Als wäre er der bei weitem bessere Woody Allen, zauberte New-Hollywood-Altmeister Peter Bogdanovich ("Is’ was, Doc?") ein vergnügliches Boulevard-Meisterstück aus dem Hut – und das nach 14 Jahren Spielfilm-Pause. "Broadway Therapy" – Theatersatire und funkelnde Hommage an Screwball-Komödien à la Ernst Lubitsch – vibriert nur so vor Stars und Wortwitz. Owen Wilson spielt einen Regisseur, der die Nacht mit einem Callgirl verbringt und aus allen Wolken fällt, als diese am nächsten Tag für sein Stück vorspricht. Die anschließenden Verwirrungen lassen alle zu Höchstform auflaufen – allen voran Jennifer Aniston als messerscharfe Psychiaterin. Wem "Vacation" zu derb ist, sollte unbedingt in "Broadway Therapy" lachen gehen.

INFO: "Broadway Therapy". Komödie USA/D 2014. 93 Min. Von Peter Bogdanovich. Mit Imogen Poots, Owen Wilson.

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Ein Mann springt im Zoo in einen Löwenkäfig und lässt sich den Kopf abbeißen. Eine Sensationsgeschichte, wie sie in der Bild zu lesen ist. Doch der Reporter eines fiktiven Nachrichtenmagazins geht der Sache nach. Er vermutet einen Skandal um eine Giftmülldeponie – und liegt richtig. Bis ihn üble Lobbyisten auf eine falsche Spur locken.

Man ist es nicht gewohnt, tolle Paranoia-Thriller aus Deutschland zu sehen. Doch dieser ist so einer – oder doch beinahe: Florian David Fitz macht gute Figur als investigativer Journalist mit Vintage-Porsche und Hang zum Glücksspiel. Gemeinsam mit einer Volontärin recherchiert er den bizarren Unfalltod.

Mit seinen schattenhaften, glasigen Bildern liefert Regisseur Christoph Hochhäusler ein verfremdetes Berlin, punktiert von einem hervorragend exzentrischen Soundtrack. Nur manchmal schlägt die Verfremdung leider in Manierismen um – etwa in der allzu kapriziös erzählten Beziehung zwischen Fitz und seiner Kollegin. Trotzdem bleibt Hochhäuslers Vision einer ekelhaften Lobbyisten-Gesellschaft so eindringlich wie ein Fiebertraum.

INFO: "Die Lügen der Sieger". Polit-Thriller D 2014. 112 Min. Von Christoph Hochhäusler. Mit Florian David Fitz.

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Boy 7

Sci-Fi-Thriller Ein junger Bursche wacht eines Tages in einem deutschen U-Bahnschacht auf und hat sein Gedächtnis verloren. Nur in kleinen Stücken kann er sich – mithilfe seines Tagebuchs und eines unbekannten Mädchens – in seine eigene Vergangenheit zurück tasten; und das erweist sich als lebensgefährlich. Es stellt sich nämlich heraus, dass er einer "Besserungsanstalt" entkommen ist, in der junge Menschen mittels implantierten Computerchips in willfährige Werkzeuge verwandelt werden.David Kross ("Der Vorleser") als "Boy 7" trägt überzeugend durch das solid inszenierte Sci-Fi-Drama des Deutsch-Türken Özgür Yildirim ("Blutzbrüdaz"), dem es allerdings noch an erzählerischem Tiefgang fehlt.

KURIER-Wertung:

Der kleine Rabe Socke 2

Animation Der kleine Rabe Socke (Stimme: Jan Delay) will sich vor dem Sammeln von Wintervorräten drücken – und nimmt an einem Autorennen teil. Nett.

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Das gute Leben

Doku Deutsche Doku über eine Landvertreibung in Kolumbien: Ein Dorf muss dem Kohleabbau weichen.