Kultur

Noah Baumbach über seinen neuen Film

Noah Baumbach wird gerne mit Woody Allen verglichen – besonders seit seinem neuen Film „Frances Ha“ (Kinostart: Freitag). „Frances Ha“ sei sein „Manhattan“, heißt es, und Greta Gerwig, die Hauptdarstellerin des Films, erinnere an Diane Keaton in „Der Stadtneurotiker“.

Noah Baumbach ist der Letzte, der etwas gegen diese Vergleiche hätte. Im Alter von 44 Jahren blickt der geborene Brooklyner auf eine veritable Karriere im amerikanischen Independent-Kino zurück. Seit seinem Debüt-Hit „Kicking and Screaming“ (1995) etabliert sich Baumbach mit komisch-melancholischen Tragikomödien über zerbrochene Familien („Der Tintenfisch und der Waal“ (2005) oder grantige Mitvierziger wie Ben Stiller in „Greenberg“ (2010). Baumbach ist ein Freund von Regisseur Wes Anderson und schrieb mit ihm gemeinsam „Die Tiefseetaucher“ (2004) und den Animationsfilm „Fantastic Mr. Fox“ (2009).

Neun Jahre lang war Baumbach mit der Schauspielerin Jennifer Jason Leigh zusammen, mit der er auch einen Sohn hat. Bei den Dreharbeiten zu „Greenberg“ lernte er Greta Gerwig kennen, die schließlich seine neue Partnerin und Drehbuch-Koautorin wurde.

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Meisterstück

In „Frances Ha“ schlägt Baumbach nun einen optimistischeren Ton an. Greta Gerwig als joblose Tänzerin Frances driftet durch New York und kann sich zu keiner Karriere entschließen. Gedreht in Schwarz-Weiß, atmet „Frances Ha“ den Geist der französischen Nouvelle Vague, der Low-Budget-Bewegung „Mumble Core“ und der US-Serie „Girls“. „Frances Ha“ ist ein witziges, melancholisch-philosophisches Meisterstück.

KURIER: Ihre Protagonistin Frances Ha ist 27 und weiß nicht, wie sie erwachsen werden soll. Was interessiert Sie an diesem Lebensabschnitt?
Noah Baumbach:
Ich glaube, dass dieser Zeitpunkt im Leben vieler Menschen sehr bedeutsam ist. Man merkt plötzlich: Das Drehbuch meines Lebens verläuft doch nicht ganz so, wie ich es mir vorgestellt habe. Ich kann mich sehr gut mit diesem Gefühl identifizieren.

Dabei scheint Ihr Leben, zumindest was Ihre Karriere betrifft, eigentlich ganz nach Drehbuch zu verlaufen ...
Im Großen und Ganzen schon, aber es gibt viele Dinge, wo es nicht so ist. Man verliert Freundschaften, von denen man gedacht hat, dass man sie nie verlieren wird; man scheitert in Liebesbeziehungen, man bekommt eine Lebensmittelvergiftung ... (lacht). Ich kenne auch niemanden, der seine Zwanziger gut genutzt hätte – außer vielleicht Mick Jagger. Alle anderen Leute sind froh, wenn sie dreißig sind – und dann auch wieder traurig, weil ihre Zwanziger vorbei sind. Genau diese Phase wollten wir zeigen – dass man auch etwas verliert, wenn man sich weiterentwickelt.

Greta Gerwig vermittelt ihre Rolle stark über den Körper – bis hin zu Slapstickeinlagen.
Ja, ich habe beim Drehen an das klassische Kino der 30er- und 40er-Jahre gedacht, wo die Kamera oft aus größerer Distanz filmt. Greta hat viel mit Schauspielerinnen wie Carole Lombard und Katharine Hepburn gemein. Die konnten witzig und dramatisch sein, ohne falsch zu wirken. Ich glaube, ich suche in meinen Filmen immer jene Moment, die alles auf einmal sind – urkomisch und herzzerreißend zugleich.

Nach Hollywood zieht es Sie nicht? Sie haben immerhin das Drehbuch zu „Madagascar 3“ geschrieben.
Ich wüsste nicht, was ich dort tun sollte. Das Einzige, was mich interessiert, ist der Animationsfilm. Da kann man tolle Dinge machen. Und das ist meines Erachtens auch das einzige Genre in Hollywood, dass ein großes Publikum adressiert und trotzdem hohes Niveau an Innovation und Klugheit zulässt.

Stimmt es, dass Sie gerade an einen Animationsfilm mit einem Hund in der Hauptrolle arbeiten?
Ja, das stimmt. Das wird jetzt vielleicht komisch klingen, aber alle meine Filme haben einen Bezug zur Kindheit. Ich liebte Filme schon als Kind – etwa die von Steven Spielberg – und diese Erfahrung schwingt bei mir immer mit. Daher interessiert es mich, Filme zu drehen, die auch Kinder anschauen können – noch dazu, wo ich einen Sohn habe. Ich will, dass er meine Filme schon sehen kann, bevor er auf die Uni kommt.

„Jetzt bin ich 27 Jahre alt“, sagt Greta Gerwig einmal in ihrer Rolle als „Frances Ha“, „und immer noch keine wirkliche Person.“ Im wirklichen Leben kann davon natürlich keine Rede sein – auch wenn die mittlerweile 30-jährige Kalifornierin manchmal gerne mit dem Versagen kokettiert. Im persönlichen Gespräch kommt Greta Gerwig keineswegs als karrierebewusster Jungstar rüber, sondern als eine junge Frau, die sich auf einer Reise befindet. Ihre suchende Art des Sprechens ist einfach hinreißend. Wenn sie etwa über ihre Rolle als „Frances Ha“ nachdenkt, an der sie selbst so aktiv mitgeschrieben hat, muss sie an Buster Keaton oder an Charlie Chaplin denken: „Beide sind witzig und gleichzeitig so traurig – genau wie Frances“, sagt Gerwig im KURIER-Interview: „Auch Frances ist von so einem Pathos umgeben.“

Spätestens, seit sie an der übel gelaunten Seite von Ben Stiller in „Greenberg“ auftrat, erlebte Gerwig einen Karriere-Boost. Davor sah man sie in kleineren Rollen – etwas als Freundin von Jesse Eisenberg in Woody Allens „To Rome with Love“. „Ich war immer von Tänzern inspiriert, weil sie mit ihrem Körper arbeiten“, sagt Gerwig: „Am schlimmsten war es, beim Vorsprechen sitzen und lesen zu müssen.“

Nicht nur das tänzerische Moment fällt in „Frances Ha“ besonders auf, sondern auch die Abwesenheit einer Liebesgeschichte. Stattdessen gibt es eine „Bromance“ – üblicherweise eine Kumpel-Geschichte zwischen zwei Männern; hier aber ist es die Freundschaft zweier Frauen, die im Mittelpunkt steht: „Der Boyfriend wird gleich am Anfang entsorgt“, grinst Gerwig, übrigens eine gute Freundin von Lena Dunham, Erfinderin der US-Serie „Girls“: „Das war unsere ,Hommage‘ an die üblichen Konventionen. Ich finde es ungeheuerlich, dass Frauen sich in Filmen immer verlieben müssen oder dass man sie nur in Relation zu Männern zeigt. Natürlich ist die Liebe wichtig – aber sie ist bei Weitem nicht die wichtigste Kraft, die Frauen antreibt. Zumindest nicht bei denen, die ich kenne.“