Drozda: Kultur von Türkis-Grün "als Restposten verräumt"
Der frühere SPÖ-Kulturminister Thomas Drozda, mittlerweile Kultursprecher seiner Partei, zeigt sich am Tag nach der Präsentation des Regierungsprogramm von Türkis-Grün gegenüber der APA ernüchtert, wie bei den Regierungsverhandlungen mit den Kulturagenden umgegangen wurde. Die Kultur sei hier als Restposten verräumt worden: "Das ist beschämend."
Auch sehe er die Variante einer Kultur-Staatssekretärin in Person der Grünen Ulrike Lunacek alles andere als positiv. "Es gibt eine nachhaltig negative Erfahrung mit dieser Konstruktion", so Drozda. Er selbst oder sein Parteifreund und Amtsvorgänger Josef Ostermayer hätten da als Finanzausgleichsverhandler und Kanzleramtsminister ein anderes Standing gehabt: "Da hebt der Finanzminister auch das Telefon ab. [...] Ich schaue mir an, wie eine Staatssekretärin mit einem Finanzminister die Valorisierung verhandeln kann."
Budgetierung bezweifelt
Inhaltlich gelte beim Blick auf das im Regierungsprogramm niedergeschriebene Kulturkapitel: "Es ist in vielerlei Hinsicht in Ordnung, und es werden viele richtige Dinge angesprochen - von der sozialen Lage der Künstlerinnen und Künstler bis hin zur Frage der Valorisierung. Aber the proof of the pudding is in the eating."
Die Frage bei vielen Vorhaben sei also, ob sich diese im Budget wiederfänden, und da habe er seine Zweifel: "Wie in vielen anderen Bereichen bewegen wir uns immer dann sehr im Konjunktiv und bei Formulierungen wie 'Überprüfung' oder 'Evaluierung', wenn elementare Interessen der ÖVP betroffen sind."
Die im Regierungsprogramm in Aussicht gestellte Bundesmuseums-Holding könne man durchaus diskutieren. "Aber wenn man schon eine Holding macht, gehört da das Haus der Geschichte ebenso hinein wie das Heeresgeschichtliche Museum." Das könne für das Haus der Geschichte auch eine Zukunft bedeuten. "Dass das eine Spielwiese für den Parlamentspräsidenten wird, das werden die Grünen hoffentlich abdrehen."
Keine "großen Würfe" erwartet
Dass Lunacek als Staatssekretärin die Agenden der Kunst und Kultur verantworten soll, sorgt in der Kulturszene durchaus für kritische Stimmen. "Insgesamt hätte die Regierung bei ihrem Start der Kunst und Kultur gar nicht weniger Wert beimessen können", beklagte etwa Gerhard Ruiss von der IG Autorinnen Autoren.
"Große Würfe zugunsten der Kunst- und Kulturschaffenden werden bei solchen Signalen wohl nicht zustande kommen bzw. erwartet werden dürfen", so Ruiss weiter: "Nach vielen Jahren Ministerkompetenz werden die Kunst- und Kulturagenden nun wieder die Angelegenheit eines Staatssekretariats, ohne Medien, ohne Auslandskultur, ohne Verfassungsrecht, ohne Bildung und ohne Urheberrecht, also zu einem Nebenthema." Lunacek sei zwar eine engagierte Europapolitikerin, kulturpolitisch aber bisher nicht in Erscheinung getreten.
IG Kultur: "Unbeschriebenes Blatt"
Skeptisch äußerste sich via Twitter auch die IG Kultur: "Die Kulturschaffenden haben sich ein deutliches Signal zur Wertschätzung der freien Szene erwartet - nun wird Ulrike Lunacek Staatssekretärin für Kunst und Kultur; In Kulturfragen ist sie ein weitgehend unbeschriebenes Blatt."
Zustimmung zur Personalentscheidung kam hingegen ebenfalls via Tweet von der Filmemacherin und Historikerin Helene Maimann: "Ich freue mich sehr, dass Ulrike Lunacek die Agenden für Kunst und Kultur übernimmt. Eine sehr gute Wahl. Eine erfahrene Politikerin, integer, und ein großartiger Mensch."