Kultur

Body-Horror mit Demi Moore: Den alten Körper ausziehen und zunähen

In Stanley Kubricks Horrorfilm „The Shining“ gibt es eine berühmte Szene. Jack Nicholson betritt als Hausmeister namens Jack Torrance ein Badezimmer, wo hinter einem Duschvorhang eine junge, nackte, schöne Frau hervorkommt. Begehrlich nähert er sich ihr, umarmt sie und beginnt sie leidenschaftlich zu küssen. Doch dann wandert sein Blick zufällig in den Badezimmerspiegel und er bemerkt, dass sich die junge schöne Frau in eine widerliche alte Hexe verwandelt hat. Angewidert stößt er sie von sich und flüchtet aus dem Badezimmer. Ein alter Körper – der Horror!

Auf diese zwei Extrembilder Hollywoods – die junge, attraktive Frau und das alte, ekelhafte Weib – baut die französische Regisseurin Coralie Fargeat ihren exzessiven Sci-Fi-Schocker „The Substance“ und spitzt ihn auf eine unterhaltsame Sexismus-Satire zu.

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Was passiert mit Stars, wenn sie älter werden – vor allem, wenn es sich dabei um Frauen handelt? Gut möglich, dass Demi Moore über dieses Thema ganz gut Bescheid weiß, denn sie zählte mit Kassenschlagern wie „Ghost“ zu den bestbezahlten weiblichen Stars des Kinos der 90er-Jahre. Später verschwand die Ex-Frau von Bruce Willis zunehmend aus dem Fokus der Aufmerksamkeit – und dass das auch mit ihrem Alter zu tun haben könnte (Moore ist 61), darüber wird in „The Substance“ blutig spekuliert.

Moore verkörpert Elisabeth Sparkle, einen Ex-Hollywood-Star auf dem Weg ins Ausgedinge. Nicht mehr jung genug, wird sie vom Boss einer TV-Station aus der Sportsendung gefeuert. Doch dann erhält Elisabeth eine Art Zaubertrank, genannt „The Substance“: Wer die geheimnisvolle Flüssigkeit injiziert, verwandelt sich in die bessere, jüngere und schönere Version seiner selbst – allerdings immer nur wochenweise.

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Die junge Version von Demi Moore wird von Margaret Qualley übernommen – und die beiden Frauen treten in erbitterte Konkurrenz.

Die Geburt der jungen Elisabeth aus dem Körper der alten ist eklatant: In schönster Cronenberg-Body-Horror-Manier bricht das Fleisch ihres Rückens auseinander und gibt die verjüngte Frau frei. Mit Ekel im Gesicht näht diese die alte, abgestreifte Körperhülle zu. Und macht als Sue im Frühstücksfernsehen als Vorturnerin Karriere.

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Steinzeit-Fitness

Anstelle von Elisabeths „Steinzeit-Fitness“, bringt Sue nun mit ihren „sexy Moves“ zu dröhnenden Beats das Publikum ins Schwitzen. Gierig saugt sich die Kamera an ihrem prallen Hintern fest, schmiert sich über ihre Brüste und delektiert sich an ihren rhythmischen Bewegungen. Doch im aufgerissenen Weitwinkel der voyeuristischen Blicke ist der Horror nicht weit. Die roten Gänge im Fernsehstudio schreien wie in „The Shining“ nach Blut, die kalifornischen Palmen glitzern schwarz im Wind.

Je mehr sich die junge Sue „The Substance“ spritzt, desto rapider altert Elisabeth. Zuerst verwandelt sich nur ihr Zeigefinger in einen grauen Knochen, dann folgt unaufhaltsam der Rest des Körpers.

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Spektakulär kippt Coralie Fargeat ihre Farce  über Frauenfeindlichkeit, Altersdiskriminierung, Selbsthass und Jugend-Terror in eine surreale Horror-Fantasy.  

Und Demi Moore? Die durchwandert  unerschrocken  das Horrorkabinett Methusalems und verwandelt sich inbrünstig in  genau so eine monströse Alte, wie sie  Jack Nicholson das Fürchten lehrte. Was für eine Comeback-Rolle! 

INFO: GB/USA/F 2024. 140 Min. Von Coralie Fargeat. Mit Demi Moore, Margaret Qualley.

„The Substance“ eröffnet das SLASH Filmfestival (19. bis 29. September). Mehr auf kurier/kultur.at