Kultur

"The Forbidden Zone": Unter Wasser die Luft anhalten

Ein live in Echtzeit auf der Bühne gedrehter Film lässt die entscheidende Frage offen: wozu? Liegen Sie auch oft nachts wach und wälzen sich unruhig hin und her, weil Sie eine Frage drückt: Ist es möglich, auf offener Theaterbühne, live und in Echtzeit, vor den Augen des Publikums einen Film zu drehen und diesen gleichzeitig vorzuführen?

Sie können ab jetzt wieder ruhig schlafen, denn der Beweis ist erbracht: Es ist möglich. Andere hopsen aus der Stratosphäre oder halten unter Wasser eine Viertelstunde lang die Luft an, die englische Theatermacherin Katie Mitchell hat auf der Halleiner Perner-Insel einen Live-Film auf die Bühne gebracht. Was kommt als Nächstes? Ein Star-Gitarrist, der ohne Hände ein Konzert spielt?

Man kann Mitchell für den reinen Formalakt, für die organisatorische Leistung, den Respekt nicht verweigern: Das ist schon beeindruckend, wie da die Kulissen und die Kameraleute hin und her flitzen und die Darsteller herumspringen, um den nächsten Schnitt nicht zu verpassen.

So beeindruckend, dass man als Zuschauer bald weniger mit der Handlung befasst ist als mit der Form, wie sie erzählt wird: Wird es der Kameramann rechtzeitig da rüber schaffen, ui, das wird knapp!

So erzählt diese Produktion in erster Linie die eigene Entstehungsgeschichte und wirkt dadurch merkwürdig eitel und kunsthandwerklich: Sehr her, was wir können! Die Handlung wird dabei leicht übersehen.

Wobei: Viel Handlung zum Übersehen gibt’s da gar nicht. Der Dramatiker Duncan Macmillan leimte drei Erzählstränge zu einem sehr vorhersehbaren Drehbuch zusammen: Die Chemikerin Clara Immerwahr, die aus Protest gegen die Giftgas-Forschungen ihres Mannes Selbstmord begeht; ihre Enkelin Claire Haber, die sich ebenfalls selbst tötet, als sie erkennt, dass die Arbeiten des Großvaters zur Entwicklung von Zyklon B geführt haben; eine Krankenschwester, die einen sterbenden Soldaten liebt und später Claires Vorgesetzte im Labor wird.

Fotos der Inszenierung

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Kitsch

Der resultierende (in kitschiger, fleckiger Sepia gedrehte) Film ist – nur als Film betrachtet – spannungsarm, er laboriert an den Beschränkungen seiner Entstehung: behäbige Schnitte, wenige Schauplätze (er spielt vor allem in der U-Bahn), kaum Dialoge.

Als Theaterstück ist der Abend nicht zu bewerten, die Szenen sind auf der Bühne kaum zu erkennen, sie existieren nur auf der Leinwand. Über die Leistung der Darsteller – allen voran Ruth Marie Kröger als Clara und Jenny König als Claire – lässt sich wenig sagen: Sie müssen in pathetischen Großaufnahmen schicksalsschwere Augenlider vorführen.

Die unglaublich spannende Geschichte zweier Frauen, die in ihrer Ablehnung der Logik des Krieges bis zum Äußersten gehen, kommt dabei zu kurz. Und das ist so schade: Brennende Fragen zu Moral, Gewalt, Emanzipation hätten da gestellt werden wollen.

Zu erahnen ist dies dank der in die Geschichte eingearbeiteten, kriegskritischen Texte von Mary Borden, Virginia Woolf oder Hannah Arendt. Die sind großartig und ergreifend.

Fazit: Kitsch-Bilder

Stück Die Geschichte der Chemikerin und Feministin Clara Immerwahr, die (auch) aus Protest gegen die Kampfgas-Forschungen ihres Mannes, des Nobelpreisträgers und Kunstdünger-Erfinders Fritz Haber, den Freitod wählte. Auch ihr Sohn und ihre Enkelin töteten sich selbst.

Inszenierung Verzichtet auf die Kraft des Theaters, Bilder im Kopf zu erzeugen, und ersetzt diese durch eher ungelenke, kitschige Filmbilder. Formal beeindruckend.

KURIER-Wertung: