Kultur

Tex Rubinowitz: Rumgurken in aller Welt

Zu Tex Rubinowitz würde passen, dass mit dem Buchtitel "Rumgurken" ein alkoholisches Gemüse gemeint ist. Einer, der einen winzigen Vogel zeichnen kann, der vor einem Riiiesensch...haufen sitzt, und ein anderer Vogel fragt: "Möchtest du darüber reden?" ..., dem ist alles zuzutrauen. Aber nein, Rubinowitz gurkt bloß in der Welt herum. Obwohl man bei ihm nicht sicher sein kann, dass er wirklich in den Städten war, über die er sich auslässt.

Wenn er Porto als "kariös" bezeichnet, könnte es auch bedeuten, dass ihm einfach dieses Wort gefallen hat, und dann hat er sich halt irgendein Opfer ausgesucht. Oslo ist übrigens "verbumfeit". Wie Duisburg. Aber gut. Nehmen wir an, er war in Porto. Was hat er dort gemacht? Er war bei einer Lesung des Deutschen Ingo Schulze. In einem Lokal, das – übersetzt – den Namen "Räudige Katze" hat. Zehn Zuhörer. Und er war in dem lappländischen Ort Sodankylä. Was hat er dort gemacht? Sich den Heinz-Rühmann-Film "Ein Mann geht durch die Wand" angeschaut.

Waldkäuze

In Budapest hört er gemeinsam mit einem unheilbar Kranken "Yes Sir, I can Boogie". Nach Bhutan reist Rubinowitz mit einer Verkehrsampel, weil die haben dort keine (und brauchen auch keine). In einem Hotel in Cleveland freut er sich sehr über einen polnischen TV-Sender und schaut gleich nach der Ankunft einer Dokumentation über Waldkäuze zu ...

Der gebürtige Hannoveraner vom Jahrgang 1961, der seit fast drei Jahrzehnten in Wien zeichnet und Platten auflegt und Posaune spielt, kann demnach schwer als typischer Tourist durchgehen. Sein einziger Reiseplan ist: Er meidet sogenannte Sehenswürdigkeiten. Tex Rubinowitz schafft lieber selber welche: Nach dem Verzehr von eineinhalb Kilo Entenmuscheln im Sardinenviertel von Porto lässt er irrtümlich seine Strümpfe unterm Tisch liegen.

 

Sphärenklänge

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Das ist erwähnenswert. Das macht dieses unbekümmerte, freche Buch aus. Tex Rubinowitz redet und redet und erreicht Sphären (bzw. Tiefen, je nach Vorliebe), in denen Schriftsteller äußerst selten zu finden sind. "Ohne Kommunikation wären wir ausgestorben", lautet einer seiner Leitsprüche, dem man widersprechen darf. Jedenfalls ist deshalb in "Rumgurken" (und nur hier) sogar in Erfahrung zu bringen, dass sich der Autor immer die Hände wäscht, BEVOR er pinkelt. Weil sein Dings ja nicht schmutzig sei.

Auch ist es der beste aller Plätze, um bedauernd zu vermelden: In der Eisenbahn ziehe heutzutage nur noch selten jemand hartgekochte Eier aus der Aktentasche – was nicht allein mit den Zugrestaurants zu tun habe, sondern mit fehlender Bescheidenheit. Ist es jetzt deutlich genug gesagt? Es bringt überhaupt nichts, das Buch zu lesen. Außer, man will damit rumgurken. Es ist sinnlos. Angenehm sinnlos.

Möchte Tex Rubinowitz darüber reden? Buchpräsentation am Sonntag, um 20 Uhr im phil, 1060 Wien, Gumpendorfer Straße 10–12. Eintritt frei.

 KURIER-Wertung: **** von *****

Helge Timmerberg in Afrika

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Lufttoilette heißt das also. In den Slums von Nairobi (und wer weiß, wo noch und wo demnächst) kacken die Armen in ein Sackerl und werfen es aufs Nachbargrundstück.
Timmerberg, der beste deutschsprachige Reiseschriftsteller (mit Wohnsitz in 1020 Wien), ist mit 60 erstmals in Afrika gewesen. Sieben Monate. Von Nord nach Süd, von Ost nach West. Sieht man davon ab, dass der in Hessen geborene, ruhiger gewordene Abenteurer mitunter "nöckelig" wird, also auf gut Österreichisch ang’fressen ist, so hat "African Queen" eine Strahlkraft – was nur zum Teil an der Sonne liegt.

Er war mit einer jüngeren Frau auf Reisen, das machte ihn, den "Alten", verletzlich und seine Abenteuergeschichten zärtlich und weise. (Weil’s nicht im Buch steht, aber ganz, ganz wichtig ist: Die beiden sind nach wie vor zusammen.) Der Humor ist Helge Timmerberg geblieben, trotz Malaria und trotz des Voodoo-Zaubers einer Senegalesin. Er lacht lieber über sich als über andere. Dass er sich in Afrika wohl fühlte, merkt man. Dass er Afrika nicht "braucht", ebenso.

KURIER-Wertung: **** von *****

Herbert Rosendorfer - "Huturm" bietet 200 Jahre tiefe Provinz

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Sehr lustig muss das gewesen sein, wenn man einen böhmischen Diener gehabt hat: "EIER Durchlaucht Gnaden ..." Täglich Ostern gewissermaßen. Herbert Rosendorfer, der Südtiroler, der es als Jurist in Deutschland bis zum Oberlandesgerichtsrat geschafft hat ... und der in seinem Parallelleben als Schriftsteller dafür sorgte, dass es zumindest in der Literatur gerechter zugeht – er bringt im Roman "Huturm" 200 Jahre Geschichte im Zeitraffer.

Hutum ist ein fiktiver Ort; Eingeweihte wissen, er liegt in Oberösterreich. Dort stand einmal ein Kloster, aus dem die Mönche vertrieben wurden, weil so ein neuer Fürst aus Bayern halt ein Schloss braucht. Dieser Fürst begegnet auf der Fahrt zum Schloss einem Landstreicher und tatsächlich, er greift in seine flaschengrüne Samtweste: Er gibt dem Armen ein Goldstück.

50 Schilling

Der Landstreicher wird zum Totengräber im Dorf, das Dorf wird größer, zum Kurort, zur Stadt, Fürsten gibt’s längst keine mehr, und – das ist der Schluss, nach dem Zweiten Weltkrieg:
Ein Nachfahre des Landstreichers, ein Hotelier, schenkt einem Nachfahren des Fürsten 50 Schilling. In dem Roman ist also genügend Raum für Rosendorfers Ironie; und er ist ein ideales Parkett für dessen eigenwillige Sprache. Die beherrscht er so souverän, dass drauf losgeplappert werden kann. Doch wird stets nur angedeutet, sonst sind zwei Jahrhunderte auf 200 Seiten nicht zu bewältigen.

Herbert Rosendorfer ist kürzlich 78 geworden. Seine Werke, auch Kompositionen, lassen sich kaum noch zählen. Er hat Fantasie, großes historisches Wissen und ist offensichtlich nach wie vor zu Späßen aufgelegt. Bei "Huturm" hat er sich bestimmt nicht nur angestrengt, sondern zwischendurch auch selbst amüsiert. Es wird Leser geben, die ihm gern zu den Anekdötchen und Seitenhieben in die Tiefe der Provinz folgen.


KURIER-Wertung: **** von *****

Tor Ulven – Was kann noch düsterer sein als „Dunkelheit am Ende des Tunnels“?

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Der norwegische Dichter Tor Ulven hat sich nach diesem Buch umgebracht. 42 Jahre war er alt. Es ist voller schwarzer Gedanken. Von einer alten Frau zum Beispiel, die nachts nicht schlafen kann und allein am Fenster sitzt, die Leute im Café vis-à-vis beobachtend. Die Ereignislosigkeit anstarrend. Nichts passiert, und das füllt die Köpfe. Und passiert doch etwas, ein Schuss fällt, dann schläft sie. Man muss aufpassen, um sich von den Depressionen nicht anstecken zu lassen. Aber man darf mit traurigen Augen bewundern, wie Ulven seine Worte fand: "Sarg­froh" seien die Toten, geradezu in Feststimmung, weil befreit "von der stupiden Naivität der Lebenden".