Kultur

Kammerspiel auf der Saualm

Ein Asylwerberheim wie es viele gibt: Trostlos verstreichen die sinnlosen Stunden. Warten. Es herrscht Aufenthaltspflicht. Wieder einmal gibt es Schweinefleisch zu essen, aber keine Seife zum Waschen. Seit zwei Jahren warten Eli (Michael Scherff) und seine Familie in einer Flüchtlingspension auf die Beantwortung ihres Asylantrags.

Das Warten zermürbt

Seine Familie, so hat er das Gefühl, entfernt sich von ihm. Frau und Tochter passen sich viel zu schnell den neuen Gegebenheiten an. Die Tochter (großartig irre: Lisa Weidenmüller) murmelt vor sich hin: „Nachdem ihr leider alle irrsinnig seid, muss ich selber auf mich aufpassen, sagt die Lehrerin.“ Ihr Vater wird ständig von der Vergangenheit eingeholt. Er gilt in seiner Heimat als Staatsfeind, weil er als Krankenpfleger auch Widerstandskämpfer verarztet hat. Eli kämpft mit den Erinnerungen, mit dem Bewahren der Tradition, mit der Frage, was denn nun eigentlich seine Pflicht wäre: Doch die Ohnmacht hat ihn in Geiselhaft genommen.

Julya Rabinowichs DramaTagfinsternis“, das Freitag im Landestheater St. Pölten Premiere feierte, berichtet von Flüchtlingsschicksalen aus sehr authentischer Sicht. Die Schriftstellerin arbeitet neben ihrer künstlerischen Tätigkeit als Dolmetscherin bei Psychotherapie-Sitzungen von Asylwerbern. „Tagfinsternis“ ist ein beklemmendes Kammerspiel, in Szene gesetzt von Markus Schleinzer („Michael“). Ihm gelingt es, behutsam eine Spannung aufzubauen, die am Ende alle zu zerreißen droht. Bemerkenswert das Bühnenbild: Katrin Huber und Gerhard Dohr haben einen Boxring geschaffen, der in seiner Kargheit überraschend wandlungsfähig ist. Der Boden lässt sich mehrfach öffnen, um als Schutz, Versteck oder Abgrenzung zu dienen. Um den Ring herum spinnt die zunehmend außer Kontrolle geratende Tochter im Lauf des Stücks einen Wollfaden; es wird stetig enger und beklemmender. Nur die Mutter (Marion Reiser) versucht, Haltung zu bewahren. Wird es einen Ausweg geben für diese Familie? „Es können Wunder geschehen in diesem kleinen sicheren Land in einer Glaskugel, in der es manchmal schneit.“

KURIER-Wertung:

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