Kultur

Der Engel Doloriel öffnet den Reißverschluss

„Die dunklen Gassen des Himmels“, Band eins der geplanten Trilogie über Bobby Dollar, ist Schwachsinn. Absoluter Schwachsinn. Das muss anfangs festgestellt werden.

So.

Jetzt kann man gefahrlos zugeben, dass dieser Fantasy-Roman wunderbar erfrischt.

Bobby Dollar ist ein Engel und heißt unter Seinesgleichen Doloriel. Beruf (sozusagen): Verteidiger der Seelen, damit sie nicht in die Hölle müssen.

Es wird – man glaubt es kaum – völlig kitschfrei fantasiert. Frech, ausgelassen, spannend, originell.

Und sexy, obwohl auf der Gegenseite die Dämonen nicht so besonders auf ihr Äußeres Wert legen und Reißzähne oder Hörner tragen und krustige Haut haben. Aber eine Höllenfürstin immerhin läuft im knallpinken Designer-Sweatshirt umher.

Merke: Auch im Alter von 800 Jahren kann man aufregend ausschauen.

Wäsche trocknen

Dollar weiß nicht, wer er früher war. Das ist gut so. Das einstige Leben würde den Roman nur aufhalten.

Der Held lebt in Kalifornien, in einer fiktiven Stadt. Was besonders freut, denn immer Elfenwelt und so, da werden die spitzesten Ohren schlapp.

Er hat Menschengestalt, und sollte er sterben, bekommt er einen neuen Körper. Außer, es werden ihm die Nerven einzeln herausgerissen und wie Seile zum Wäschetrocknen aufgespannt.

Dann ist auch der Himmel ein bissl ratlos; und dann ist man wirklich tot.

Klienten

Zwar besteht offiziell zwischen Himmel und Hölle Waffenstillstand. Aber trauen kann man „drüben“ auch niemandem, nicht einmal den Guten – Seite 24: „Die Gnade mag ja vom Himmel träufeln wie ein sanfter Regen, aber manchmal könnte man schwören, dass Dürre herrscht.“

... und jetzt der ganze Schwachsinn vom Anfang:

Stirbt jemand, geht Bobby Dollar (oder ein Anwaltskollege) an den Ort des Todesfalls. Er öffnet in der Luft eine Art Reißverschluss ins „Außerhalb“. Dort erscheint der Verstorbene bzw. Klient, wie man so sagt.

Er hat einen Verteidiger, der vom Schutzengel informiert wird – und einen teuflischen Ankläger. Ein Richter erscheint wie Wetterleuchten, dann wird verhandelt und geurteilt.

Ehebruch gilt übrigens nicht mehr als absoluter Grund für die ewige Hölle.

Außerdem: Nein, der Himmel ist kein Schloss auf den Wolken.

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Für Band eins hat sich der kreative US-Autor Tad Williams, bekannt für seine Zyklen „Otherland“ und „Drachenbeinthron“, sonst noch ausgedacht: Immer mehr Klienten erscheinen NICHT vor Gericht. Wer hat sie weggeschnappt?

Engel Nr. 2

Anfang September wird noch ein Engel in den Buchhandlungen landen: in „Ein gutes Herz“ vom Niederländer Leon de Winter. Der Engel heißt Theo van Gogh und war Filmemacher. Er ist zur Bewährung auf der Erde.

Einen Theo van Gogh gibt’s ja wirklich, er hat de Winter aufs Gemeinste beleidigt. Es wird also ernst. Deshalb ist Bobby Dollar so erfreulich.

KURIER-Wertung: **** von *****