Kultur

"Steve Jobs": Tyrannei des Tech-Gurus

Der neue Computer muss "Hello" sagen, wenn man ihn startet. Solange er nicht "Hello" sagen kann, wird er nicht öffentlich hergezeigt. Mit dieser Drohung setzt Co-Apple-Gründer Steve Jobs seinen Mitarbeiter Andy Hertzfeld massiv unter Druck – nur wenige Minuten vor der Präsentation des ersten Macintosh Computers im Jahr 1984.

Im Auditorium toben die Massen. Hertzfeld steht der Schweiß auf der Stirn. Wenn er es nicht schafft, den Computer zum Sprechen zu bringen, droht ihm die öffentliche Demütigung. Von seinem Boss, Steve Jobs persönlich.

Dass Jobs nicht der netteste aller Menschen, und schon gar nicht ein angenehmer Vorgesetzter war, dürfte sich mittlerweile herumgesprochen haben. Seine Methode, Mitarbeiter gnadenlos zu drangsalieren, um das Beste aus ihnen herauszuholen, inspirierte ganze Chefetagen zur miesen Behandlung ihrer Arbeitnehmer.

Jobs selbst verglich sich gerne mit großen Männern der Geschichte. In den vielen Worten von Aaron Sorkin, der das Drehbuch zu Danny Boyles atemlosem Kammerspiel "Steve Jobs" geschrieben hat, sieht sich der Technologie-Tycoon als Julius Cäsar ("Ich bin umringt von Feinden") oder Igor Strawinsky ("Ich bin wie der Dirigent eines großen Orchesters.")

Sorkin liebt das Theater und verfasste deswegen eine zungenfertige Bühnenfassung fürs Kino. Er zersplittert die Jobs-Biographie, die lose auf dem Buch von Walter Isaacson basiert, in drei Akte, jeweils rund vierzig Minuten lang. Diese finden auf der Hinterbühne, kurz vor einem wichtigen Produkt-Launch statt: dem Macintosh 1984, Jobs Präsentation seiner neuen Firma NeXT und dem "Black Cube" 1988, und schließlich dem Launch des iMac 1998.

Computer-Genie

Sorkin nutzt diese Momente, um Jobs’ Leben und Arbeit kulminieren zu lassen – in monumentalen Wortgefechten zwischen superben Schauspielern. Michael Fassbender als Computer-Guru und Kate Winslet als seine rechte Hand Joanna Hoffman bilden nur eines von mehreren exzellenten Streit-Duetten, die im rasenden Tempo um die Wette reden. Dazwischen schiebt sich Jobs’ weinende Ex-Freundin: Sie lebt mit der gemeinsamen Tochter von der Sozialhilfe, während der Kindsvater Millionen scheffelt. Steve Wozniak, ein früher Mitstreiter von Jobs, beschwört ihn, sich in seiner Rede auch bei jenen aus dem Kreativ-Team zu bedanken, die an der Technologie-Entwicklung maßgeblich mitgearbeitet haben.

Unbeirrt schmettert Jobs alle Anliegen ab. Ihm ist es egal, dass ihn seine Umgebung für ein großes Arschloch hält. Was für ihn zählt, ist einzig die Perfektionierung seiner eigenen, totalen Vision des personal computers.

Tatsächlich gönnt ihm der Text von Sorkin erst am Ende Erlösung, wenn er sich nicht nur als tyrannisches Tech-Genie, sondern auch als Vater bewährt – eine Läuterung, die ins Sentimental-Konventionelle verflacht. Aber selbst da noch spürt man Sorkins Ressentiment gegen Jobs’ schöne neue Computer-Welt. Danny Boyle hingegen lässt die Kamera fast selbst berauscht in langen Einstellungen den Schauspielern hinterher jagen – bis zur Ermüdung: Diese setzt im zweiten Akt ein, ehe der dritte wieder Aufschwung nimmt.

Es ist ungerecht, dass das US-Publikum den exzellenten Michael Fassbender als Steve Jobs nicht sehen will. Fassbender sprang ein, nachdem Leonardo Di Caprio und Christian Bale abgesagt hatten. Tatsächlich aber liefern er, wie auch der Rest des brillanten Ensembles, höchste Schauspielkunst.

KURIER-Wertung:

INFO: "Steve Jobs". USA 2015. 122 Min. Von Danny Boyle. Mit Michael Fassbender, Kate Winslet.

Zumindest eines kann man guten Gewissens festhalten: Woody Allens neue, schwarzhumorige Thriller-Komödie ist besser als sein letzter Film. Nachdem "Magic in in the Moonlight" einen Tiefpunkt dargestellt hatte, nimmt "Irrational Man" wieder an Fahrt auf – vorausgesetzt, man ist bereit zu glauben, dass Joaquin Phoenix ein Philosophie-Professor ist, der ein Buch über Heidegger schreibt.

Inhaltlich knüpft der Film an Allens gefeiertes "Match Point" an, ohne allerdings dessen intensive Qualität zu erreichen. In der ersten Hälfte muss man viel pseudo-kluges Philosophie-Blabla über sich ergehen lassen, im zweiten Teil wird es zügiger.

Die alte Hitchcock-Frage, wie denn der perfekte Mord aussehen könnte, beschäftigt einen Philosophieprofessor mit Alkoholproblem. Phoenix schiebt seinen Bierbauch überzeugend depressiv über das Uni-Gelände und lässt sich weder von einer Studentin (Emma Stone) noch von einer sexhungrigen Kollegin (Parker Posey) aus der üblen Laune reißen. Erst die Überlegung, einen perfekten Mord auszuführen, pumpt ihm Energie in die Lenden.

Ab dann läuft alles wie am Schnürchen: Wie eine Spieluhr, deren Melodie man schon oft gehört hat, spulen sich die Ereignisse ab – reibungslos und zynisch.

INFO: Irrational Man. USA 2015. 95 Min. Von Woody Allen. Mit Joaquin Phoenix, Emma Stone, Parker Posey.

KURIER-Wertung:

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Mit Zöpfen, Dirndl und Lederhose singt sich die berühmte Salzburger Trapp-Familie durch eine seichte Film-Adaption der Lebensgeschichte von Agathe von Trapp. Seelenvoll erinnert sich die älteste Trapp-Tochter – mittlerweile eine alte Dame in Amerika – im Gespräch mit der Großnichte an ihre Jugend in Österreich bis zum Einmarsch von Hitler. In gefühligen Rückblenden, die sich dank ihres Nostalgie-Nebels auch bestens als Salzkammergut-Werbung eignen, durchlebt Agathe noch einmal ihre Kindheit, das Auftauchen der ungeliebten Stiefmutter und die Bedrohung durch die Nazis. Selbst Cornelius Obonya als Chauffeur der Trapps und Nazi der ersten Stunde kann der verkitschten Geschichtsversion – ein Ave Maria gegen Heil Hitler – wenig entgegensetzen.

INFO: Die Trapp Familie – Ein Leben für die Musik. D/Ö 2015. 95 Min. Von Ben Verbong. Mit Yvonne Catterfeld.

KURIER-Wertung:

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Fúsi, ist Mitte vierzig, sehr dick und lebt zu Hause bei seiner Mutter. Am liebsten hört er Heavy Metal und stellt mit Spielzeugsoldaten Szenen aus dem Zweiten Weltkrieg nach. Ansonsten hat er wenig Sozialleben. Seine Arbeit verrichtet er in der Gepäckabfertigung am Flughafen und wird von Kollegen gemobbt. Um ihn ein bisschen aus der Wohnung zu locken, schenkt ihm der Freund der Mutter einen Tanzkurs: Dort lernt er die manisch-depressive Sjöfn kennen – und siehe da, sie scheint sich für den schwergewichtigen Fúsi zu interessieren.

Gekonnt verpasst der isländische Regisseur Dagur Kári ("Ein gutes Herz", "Nói Albinói") seinen einsamen, skurrilen Helden im eisgrauen Island exzentrischen Feinsinn. Gunnar Jónsson als Fúsi trägt stoisch, aber sensibel die Last der Ressentiments, die dicken Menschen oft entgegengebracht werden. Gleichzeitig hält er beharrlich dagegen – und transzendiert gängige Arthouse-Klisches in ein zart-optimistisches Seelenporträt.

INFO: Virgin Mountain. IS/DK 2015. 94 Min. Von Dagur Kári. Mit Gunnar Jónsson, Ilmur Kristjánsdóttir.

KURIER-Wertung:

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