Star der Woche: CHARLOTTE OC
Von Andreas Bovelino
Sie heißt Charlotte Mary O’Connor, kommt aus dem beschaulichen Blackburn an Englands Westküste, hat eine Mutter mit malawischen und indischen Wurzeln, den Nachnamen hat sie vom irischen Vater. Als Teenager war sie bereits beinahe ein Star, Global Ambassador für die Surfmode von Quicksilver, eine große Plattenfirma entdeckte sie, schickte die 17-Jährige ins Studio, ließ sie einige Reißbrettpopnummern singen und droppte sie wieder, als der Erfolg überschaubar blieb. In diesem Fall heißt das allerdings: Glück gehabt.
Charlotte Mary jobbte daraufhin im Friseursalon ihrer Mutter – schrieb als versierte Gitarristin aber weiter ihre eigene Musik. Seit drei Jahren nennt sie sich jetzt CHARLOTTE OC und erarbeitete sich einen exzellenten Ruf in der britischen Musikszene, wird stimmlich mit Adele verglichen, während eine gewisse atemlose Verletzlichkeit eher an Stevie Nicks und der musikalische Ansatz an den mystischen Pop von Bat For Lashes erinnern. Eine grandiose Kombination, wie man jetzt auf ihrer CD „Careless People“ hören kann. Sie verzaubert mit düsteren Tracks wie „Blackout“, hübschen Sing-alongs („Shell“), Schmerzenssoul („River“) und erweitert ihr Spektrum um elektronischen R’n’B, der auch Beyoncé gut stehen würde („Medicine Man“, „Running Back To You“).
ROCK
WHITEOUT CONDITIONS
THE NEW PORNOGRAPHERS
Daniel Bejar ist weg – aber auch ohne ihn bleibt die Combo aus Kanada eine veritable Soupergroup (Neko Case, A.C. Newman). Die vor allem in den USA erstaunliche Charts-Erfolge feiert. Zu Recht, ihr üppig arrangierter Powerpop und vor allem die Vocals von Newman und Case reißen mit – und gehen ins Ohr. Und auch wenn diesmal kein Smash-Hit wie „Brill Bruisers“ dabei ist, bieten Tracks wie „Darling Shade“, „High Ticket“ , „Juke“ und „Whiteout“ doch großartige Unterhaltung. (Caroline)
ART-POP
IN THE SAME ROOM
JULIA HOLTER
Eine Verbeugung vor den legendären „Peel Sessions“: Geladene Künstler nehmen ihre Songs an einem Tag im Studio „live“ auf. Den Anfang machte die amerikanische Songwriterin Julia Holter. Und zeigt gleich ihre ganze Ambivalenz. Während der Opener „Horns Surrounding Me“ auch unter diesen Bedingungen beinahe unerträglich prätentiös geriet, entwickelt der alte Song „So Lillies“ eine derart intensive Magie, dass man am liebsten nichts anderes mehr hören möchte. Die gute Nachricht: Diese Momente überwiegen. (Domino)
DANCEROCK
LOOK AT THE POWERFUL PEOPLE
FORMATION
Keinen Spaß haben und trotzdem tanzen? Doch das geht, zu brachialen Beats („Drugs“) oder einem trotzigen Disco- Beat („Pleasure“) oder einer Kombi aus beidem („Buy And Sell“) ärgert sich Sänger Will Mitchell über alles, was ihm in London nicht passt. Sprechgesang – Achtung: kein Rap! – wird groß geschrieben, kein Wunder also, dass Mike Skinner (The Streets) der größte Fan der Band ist. Die mit Tracks wie „On The Board“ (Percussion!) und „Blood Red Hand“ zeigen, dass sie’s auch elegant können. Doch, hat was. (Warner)
SONGWRITER
LIFE.LOVE.FLESH. BLOOD.
IMELDA MAY
Das ist mal ein Imagewechsel: Von der schrillen Rockabilly-Röhre mit blonder Haartolle zur großen Tragödin in Sachen Country und Blues. Hat natürlich mit der Liebe zu tun, aber das kann uns hier egal sein. Wichtig ist: Der Wandel steht der Irin nicht nur optisch, sondern vor allem auch musikalisch. Schon der zarte Opener „Call Me“ geht direkt ins Herz, „Black Tears“ punktet mit „Blue Velvet“-Nostalgie und Jeff Beck an der Gitarre, und ihre Stimme ist groß, wild und halsbrecherisch wie immer. Schön. (Decca)