Kultur

Das alte Mädchen und die Fantasiemaschine

Das Wichtigste gleich zu Beginn: Erni Mangold ist natürlich großartig. Es gab ja schon viele Versuche, die Figur des boshaften Waldgeists Puck (oder Droll, je nach Übersetzung) originell zu deuten. Ihn mit einem 88-jährigen Mädchen zu besetzen, ist nicht die schlechteste Möglichkeit – vor allem, wenn das Mädchen Erni Mangold ist.

Mangolds Puck sitzt offenbar schon seit Jahrhunderten im Wald vor Athen fest, und den hormonbedingten Blödheiten pubertierender Athener Adeliger und denen der ewig pubertierenden Elfen zuzuschauen, ist ihm schon unerträglich fad. Mangold spielt diesen Puck, eine der herrlichsten Figuren der Theaterliteratur, wunderbar, voller Charme und Kraft – dieser Puck ist interessanter als der ganze Rest der Inszenierung. Leider wurde (auch) Mangolds Text drastisch gekürzt.

Der scheidende Volkstheater-Direktor Michael Schottenberg wollte offenbar zum Abschied die ganz große Fantasiemaschine anwerfen, solange er noch mit ihr spielen darf. So wurde auf die Bühne des Volkstheaters eine zweite Bühne des Volkstheaters gebaut (Bühnenbild: Hans Kudlich). Aus den Logen zwitschert und trötet und schlagzeugt es unablässig (Musik: Imre Lichtenberger-Bozoki), was stellenweise ganz schön nerven kann.

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Song-Contest-Alarm

Die Kostüme ( Erika Navas) sehen so aus, als wollte jemand André Heller parodieren: Pluderhosen, Tattoos, entgleisender Walle-Stoff, Kabuki-Schminke, Commedia-dell’Arte-Masken – auf der Bühne schaut es aus wie in der Vorhangabteilung eines Möbelhauses oder im Umkleide-Wagen eines nö. Wanderzirkusses oder bei einem kasachischen Song-Contest-Beitrag.

Warum die hormonell überforderten vier Jung-Athener so sprechen, als hätten sie bei der Tankstelle an der Straße nach Piräus ein bisschen zu viel vorgeglüht, und warum sie bei ihren Liebes-Verwirrungen zwischen Falltüren herumhüpfen müssen, als wären sie eine Jungturnergruppe beim Training für "Die große Chance", erschließt sich ebenfalls nicht.

Natürlich ist das, was Schottenberg da mit Unterstützung seines gesamten Ensembles – aus der Reihe der 22 guten Darsteller sei niemand extra hervorgehoben, sie geben alle ihr Bestes – auf de Bühne stellt, beeindruckend. Nur geht darunter ein nicht nur hinreißend komisches, sondern auch erotisches, gefährliches, abgründiges Stück verloren. Alles dreht sich, alles bewegt sich, aber es bewegt nicht.

Dennoch großer Applaus zum Abschied.

Fazit: Zu viel ...

Stück Shakespeares „Sommernachtstraum“ ist eines der erfolgreichsten Stücke aller Zeiten. Zusammengesetzt aus vier Handlungssträngen erzählt es von der Unwägbarkeit der Liebe, von erotischen Nöten, von Unterwerfung, Demütigung. Der Mensch ist gefangen im Urwald seiner Triebe und Wünsche.

Inszenierung Eine platzende Wundertüte.

KURIER-Wertung: