Kultur

"Sin City 2": Müde Männer werden zu Mördern

Vielleicht hat es einfach zu lang gedauert. Vielleicht hätten sich Robert Rodriguez und Comicautor Frank Miller mit ihrer Fortsetzung zu " Sin City 1" nicht neun Jahre Zeit lassen dürfen. Vielleicht haben es sich die Fans in der Zwischenzeit anders überlegt – und wollten "Sin City 2" einfach nicht mehr sehen.

Flops an den Kinokassen verlangen immer nach Erklärungen. Was für "Sin City 1" als großer Erfolg zu Buche schlug – der aufregende Look, die düstere Welt des Neo-Noir, die einsamen Männer und die tödlichen Frauen – holte in den USA für "Sin City 2" kaum jemand hinter dem Ofen hervor. Dabei glänzt die Fortsetzung der düsteren Comicadaption wieder mit ihren hochpolierten Schwarz-Weiß-Bildern, in denen manchmal das Blut Rot aus dem Mund rinnt. Und die Augen der Femme Fatale grün glitzern. Sogar 3-D wurde hinzugefügt, wenn auch mit relativ wenig Mehrwert. Vor allem das Schneegestöber sieht aufregend aus. Weiters hat sich in "Sin City" nicht viel verändert: Die Männer sind einsame, meist perverse Voyeure, die Frauen sadistische Leder-Dominas oder tödliche Busenwunder. Eva Green als lüsternes Luder treibt die erotische Strahlkraft der klassischen Femmes Fatales aus den 40er-Jahren auf die nackte Spitze. Wo sich eine Barbara Stanwyck auf begehrliche Blicke beschränken musste, wirft Green einfach die Panier ab. In relativ expliziten, wenn auch stark stilisierten Sex-Szenen legt sie die Noir-Fantasien unverblümt frei – was man durchaus als verblüffend bezeichnen könnte.

Für eine wie sie wird man schnell zum Killer: Heisere Männer, die alle klingen, als litten sie an einer schweren Kehlkopfentzündung, kommentieren abwechselnd ihr elendes Geschick. Besonders übel erwischt es Joseph Gordon-Lewitt als Kartentricksler, dem vom eigenen Vater die Finger einzeln gebrochen werden. Mickey Rourke erfreut wieder mit markantem Kinn – und quetscht seinen Feinden mit bloßen Händen das Gehirn aus der Schale.

Ultra-sadistisch

Ultra-sadistisch ist "Sin City 2" allemal, und auch unangenehm fetischistisch. Jessica Alba in Hotpants zerschneidet sich das Gesicht, um weniger schön auszusehen. Daneben steht Bruce Willis wie in "Der Sechste Sinn" als sein eigener Geist im Bild herum.

Man kann "Sin City 2" sicher nicht vorwerfen, dass es keinen eindrucksvollen Stilwillen hätte. Wenn überhaupt, dann brennen sich die morbiden Schwarz-Weiß-Bilder mit ihren gelegentlichen Farbtupfern ins Gedächtnis. Doch ansonsten bewegt sich das Live-Comic praktisch nur in einer Tonlage. Das Noir-Gefühl moduliert sich nicht, sondern wabert einförmig von Episode zu Episode. Geschichten fangen an, reißen ab, fangen wieder an. Und spätestens dann entsteht das Gefühl der Wiederkehr des Immergleichen.

INFO: Sin City 2 – A Dame to Kill For. Krimi/Thriller USA/RUS 2014. 102 Min. Von Robert Rodriguez, Frank Miller. Mit Eva Green, Mickey Rourke, Josh Brolin.

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Es fängt an mit einer Watsche. Eine Frau tritt aus dem Gemeindebau und geht auf einen Mann zu. Zuerst sieht sie ihn nur an, dann ohrfeigt sie ihn. Weint und ohrfeigt ihn weiter, immer heftiger. Der Mann hat ihren Sohn getötet, nun lässt er sich von ihr schlagen. Aber entschuldigen kann er sich nicht.

Umut Dağs (" Kuma") zweiter Spielfilm erzählt mit düsterem Hardcore-Realismus von den Mean Streets Wiens, fernab der Touristenpfade. Wenn sich im Hintergrund das Riesenrad dreht, dann nur, weil es am Praterstern Flipperautomaten gibt. Dort hängt eine Freundesgruppe ab, die sich gerne mit "Spasti" und "Missgeburt" anredet und von einer Karriere als Gangsta-Rapper träumt. Besonders Mika, ein 15-jähriger Österreicher aus Tschetschenien, setzt seine ganze Zukunft auf ein selbst fabriziertes Mix-Tape. Außerdem vercheckt Mika Drogen und fragt sich, warum der neue Hilfsarbeiter im Jugendzentrum so viel Interesse an ihm zeigt. Dass es sich dabei um seinen Vater Ertan handelt, der – siehe oben – gerade aus dem Gefängnis gekommen ist, wird bald klar.

Die große Stärke von Umut Dağs intensivem Rap-Melodram liegt in einer fast dokumentarischen Nähe zu seinen Protagonisten. Mit dynamischer Kamera folgt er den Jugendlichen durch die Clubs, auf Rap-Konzerte oder einfach nur nach Hause. Besonders der herausragende Murathan Muslu als Ertan re-lativiert die kraftmeierische Pose des Sohnes allein mit den Nuancen seines Gesichtsausdrucks ("Das Gefängnis ist kein Gangsta-Rap"). Gegen Ende hin schnürt Dağ aber seine wilden Teenager ins Korsett der hochgefahrenen Vater-Sohn-Geschichte. Das wirkt zwar emotional effektvoll, aber auch ein bisschen zu Genre-schematisch.

INFO: "Risse im Beton". Drama. Ö 2014. 105 Min. Von Umut Dağ. Mit Alechan Tagaev, Murathan Muslu, Ivan Kriznjak.

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Ein älterer Herr in der französischen Normandie setzt die literarische Brille auf, um lüsterne Blicke auf eine junge Frau zu werfen. Diese heißt Gemma Bovery und inspiriert den verhinderten Ex-Lektor und nunmehrigen Brotbäcker zu intimen Vergleichen mit Flauberts unglücklicher Heldin Emma Bovary. Unter dem Vorwand intellektuellen Interesses stellt der alte Franzose der jungen Britin auf ihren Waldspaziergängen nach. Gemma ist gerade mit ihrem Ehemann im Nebenhaus eingezogen und findet bald – ganz wie einst Flauberts Emma – einen jugendlichen Adeligen, mit dem sie eine Affäre beginnt.

Fabrice Luchini spielt seinen Spechtler mit ironischer Selbstbeschränkung, während Gemma Arterton versucht, das Bild von der jungen, begehrenswerten Frau möglichst komplex zu gestalten. Der feministische Gedanke, dass der Blick der Männer auf die Frauen gefährliche Auswirkungen haben kann, unterfüttert den manchmal allzu beiläufigen Unterhaltungston von Regisseurin Anne Fontaine.

INFO: "Gemma Bovery". Tragikomödie. F 2014. 110 Min. Von Anne Fontaine. Mit Gemma Arterton, Fabrice Luchini.

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Fadenwürmer haben auch ihr Gutes: Wenn man an ihnen leidet, kann man nicht ins Bordell gehen. Für Elizabeth Kiehl, eine junge Ehefrau, eine erlösende Nachricht. Nun muss sie ihren Mann nicht ins Puff begleiten.

Und damit befinden wir uns schon bei einem der "Höhepunkte" von Sönke Wortmanns unrunder Bestseller-Verfilmung von Charlotte Roches "Schoßgebete" (2011).

Den "Skandal", den die erste Verfilmung von Roches’ Tabubruch-Roman "Feuchtgebiete" auslöste, wird er wohl kaum wiederholen können. Denn "Feuchtgebiete" zählte zu den meistdiskutierten Filmen des Jahres 2013. Dafür sorgte schon die Vorlage, in der sich ein Mädchen mit seinen intimen Körperflüssigkeiten befasst. Wider allen Erwartungen erhielt David Wnendts ambitionierte Verfilmung international beachtlich gute Kritiken.

Fadenwürmer

Mit "Schoßgebete" (2011) schrieb die heute 36-jährige Autorin ihren nächsten Bestseller. Und natürlich hofft man auch hier wieder auf profitable Kinoauswertung: Erfolgsproduzent Oliver Berben ("Die Päpstin") schrieb sein erstes Drehbuch, Regisseur Sönke Wortmann ("Das Wunder von Bern") verfilmte. "Schoßgebete" (ab Freitag im Kino) fehlt allerdings die Kraft zur Polarisierung: Klar gibt es auch hier "Ekelszenen" – den Anblick der Fadenwürmern, die Hauptdarstellerin Lavinia Wilson in ihrem Hintern findet, darf man nicht scheuen. Aber auch die Sexszenen zu dritt sind zwar explizit, aber in erster Linie chic und gelackt.

Überhaupt findet Wortmann keine Balance zwischen kühner Sexkomödie und heftigem Familiendrama: Die Geschichte der Elizabeth Kiehl (Wilson) – die bei der Therapeutin auf der Couch liegt, um den Unfalltod ihrer Geschwister zu verarbeiten; und die ihren Ehemann (Jürgen Vogel) ins Bordell begleitet, damit ihm mit ihr im Bett nicht fad wird – profiliert sich in keine Richtung. Mit flapsigen Off-Kommentare textet die neurotische Heldin fast jedes Ereignis zu. Dabei spießt sich ihr lockerer "Sex and the City"-Tonfall oft in der Kombination mit den tragischen Ereignissen, etwa krassen Unfallbildern. Selbst ihre sexuelle "Fortschrittlichkeit" dem Ehemann zuliebe wirkt letztlich weniger befreiend als vielmehr seltsam spießig.

INFO: "Schoßgebete". D 2014. 93 Min. Von Sönke Wortmann. Mit Lavinia Wilson, Jürgen Vogel, J. Köhler.

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Wenn ich bleibe

Drama Chloë Grace Moretz spielt eine junge Cellistin, die nach einem Unfall entscheiden muss, ob sie aus dem Koma erwachen oder doch lieber sterben will. Unsäglich rührselige, dabei völlig uncharismatische Schmonzette nach dem Roman von Gayle Foreman.

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