Kultur

Sigur Rós: Verstimmte Geister und wütende Elfen

Ein Ende ist immer auch ein Anfang. Dieses gerne mal bei einer Trennung verwendete Sprichwort trifft bei Sigur Rós nur bedingt zu. Nach dem Ausstieg des Gründungsmitglieds Kjartan Sveinsson, der bei der isländischen Band für die feinfühlige Arrangierung, die leisen Töne und Piano-Melodien zuständig war, wirft die Band nicht alles über den Haufen, sondern besinnt sich einfach auf ihre Wurzeln. Diese sind im unterkühlten Postrock vergraben – also dort, wo Gitarren durch den Verzerrer gejagt, mit Hall belegt werden und sich zu bombastischen Soundwänden auftürmen.

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Schlachtfeld

Es ist also vorbei mit der Wohlfühlharmonie und dem Wellness-Spa-Feeling, für dass die Band seit dem Album "Takk.." (2005) steht. Viel mehr setzt die 1994 in Reykjavík gegründetete Truppe bei ihrem siebten Studioalbum "Kveikur" auf dröhnende Gitarren, gluckernde und fiebrige Synthesizer-Sounds.

Neu im Repertoire sind auch die stählern klingenden Industrial-Einsätze, die sich sehr gut ins Klangbild einfügen - das sich dieses Mal düster und härter als je zuvor präsentiert. War der Vorgänger "Valtari" noch ganz von Entschleunigung und Harmonie geprägt, präsentieren sich Tracks wie der Opener "Brennisteinn" metallischer und nur mehr halb so poppig. Trotz der schwermütigen Bläser und brennenden Streichern verlieren Sigur Rós aber nie den Melodiebogen aus den Augen. Auch der Walgesang und das Flehen und Weinen von Sänger Jonsi darf bei den neuen Songs nicht fehlen. Der Song "Ísjaki" fällt dabei noch am fröhlichsten aus. Der gute Rest klingt nach Weltwirtschaftskrise. Nach Istanbul, Griechenland, Syrien und anderen Schlachtfeldern. Nach verstimmten Geistern und wütenden Elfen, nach gestrandeten Walen und blutiger Aufbruchstimmung.

KURIER-Wertung: **** von *****