Kultur

"Shaun das Schaf": Der Bauer als Frisör und die Schafe als Shopper in London

Shaun, das Schaf, macht gerne Unsinn und ist nicht besonders brav. Das wissen wir bereits aus den unzähligen TV-Episoden, die das legendäre Aardman Animationsstudio aus Bristol in die Kinderzimmer geliefert hat – übrigens auch zur Freude der zugehörigen Erziehungsberechtigten. Denn Aardman steht für geistreich-witzige, Oscar-karätige "Claymotion", also dreidimensionale Knetgummi-Animation, die im mühseligen Stopptrick-Verfahren hergestellt wird. Der wollige Shaun mit den elastischen Beinen und dem schiefen Grinsen trat erstmals in Nick Parks (mit seinem dritten Oscar ausgezeichneten) Kurzfilm "Wallace & Gromit unter Schafen" (1996) auf und ging ab 2007 in (Fernseh-)Serie. Serienerfinder Richard Starzak machte Shaun nun zum Helden eines sehr unterhaltsamen, sprachfreien Kinofilms mit (fast schon zu) ausgefuchster Handlung.

Alles beginnt damit, das Shaun auf seiner heimatlichen Weide eine gewisse Langeweile empfindet und einen freien Tag benötigt. Zu diesem Zweck versetzt er mit seiner Schaf-Clique den Bauern mittels Schäfchenzählen ins Land der Träume. Gerade wollen es sich die Stalltiere vor dem Fernseher gemütlich machen, geschieht es: Die Bremsen des Wohnwagens, in dem der Bauer ratzt, lösen sich, und das Vehikel rast Richtung Stadt. Dort verliert der verdutzte Farmer sein Gedächtnis.

Star-Frisör

Danach überstürzen sich die Ereignisse: Schafe und Hund Bitzer eilen umgehend nach London und versuchen, den Bauern, der inzwischen Karriere als Star-Frisör macht, an sein Leben als Bauer zu erinnern. Verschärft wird die Lage durch einen Tier-Terminator: Dieser verfolgt die Schafe durch ganz London und zwingt sie, sich als Shopperinnen zu verkleiden. Bitzer irrt mittlerweile durch ein Krankenhaus und gibt sich dort als Chirurg aus.

Zwischen herrlich visuellen Gags und überschäumender Action für Kinder, finden sich auch schlaue, popkulturelle Anspielungen (etwa "Taxi Driver") für Erwachsene.

Was Aardman Animations aber für alle so genüsslich macht, ist der Sinn für das Taktile, das Material, die Wolle, die Knetmasse: Aardman ist spürbar handgemacht.

Info: Shaun das Schaf – Der Film. GB/F 2015. 85 Min. Von Richard Starzak, Mark Burton.

KURIER-Wertung:

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Gottesglaube hat oft sehr dramatische Auswirkungen auf seine Gläubigen. In Ulrich Seidls "Paradies: Glaube" treibt der Gotteswahn eine Katholikin in die Ehehölle. In dem deutschen Drama "Kreuzweg" von Dietrich Brüggemann endet die Gläubigkeit einer fanatisierten 14-jährigen tödlich.

Karl Markovics hingegen nimmt in seinem zweiten, lakonischen Spielfilm "Superwelt" den Glauben auf eine leichtere, nicht einmal übermäßig katholische Schulter. Gott ist bei Markovics weitgehend konfessionslos, und wem er sich offenbart, der muss weder auf Knien rutschen noch eine Hungerkur machen. Gott ähnelt mehr der inneren Stimme des Hausverstandes und spricht im Kopf der Supermarktangestellten Gabi Kovanda.

Tipp: Ein ausführliches Interview mit Ulrike Beimpold zum Film finden Sie hier.

Mit Gottes Stimme im Ohr verfremdet sich für diese die abgenutzte Wirklichkeit zur philosophischen Herausforderung. Markovics vermeidet dabei esoterische Fragestellungen zugunsten einer leutseligen Versuchsanordnung. "Warum muss ich wissen, ob das Leben einen Sinn hat? Ich steh’ auch so jeden Morgen auf": Im Lichte dieser pragmatischen Feststellung wünscht sich Gabi – die famose Ulrike Beimpold – mehr als "nur ein bisschen Glück": Ihre faden Alltagsroutinen werden durch den Einbruch des Göttlichen ins leicht Absurde verschoben und bieten neue Blickwinkel. Zuletzt sieht sogar der faule Ehemann – hervorragend: Rainer Wöss – seine Frau mit anderen Augen.

Info: Superwelt. Ö 2015. Von Karl Markovics. Mit Ulrike Beimpold, Rainer Wöss, Nikolaj Gemel.

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Noch rattern die Maschinen, noch marschieren die Webstühle. Eine Angestellte sitzt in einem Raum und faltet Stoffwindeln – "auf Reserve". Man merkt es gleich: Es geht zu Ende.

Die Textilfirma Anderl im nördlichen Waldviertel muss zusperren, der Besitzer ("Ich bin kein Konkursler") schickt seine Belegschaft in die Arbeitslosigkeit. Eine Handvoll Menschen – Männer und Frauen – müssen sich ihre Existenz neu überlegen. Der Doku-Filmemacher Nikolaus Geyrhalter hat sie über einen Zeitraum von zehn Jahren dabei begleitet – und faszinierende und berührende Menschenporträts geliefert.

Tipp: Ein Interview mit Nikolaus Geyrhalter finden Sie hier.

"Was machen Sie den ganzen Tag?" hört man die Stimme des Filmemachers aus dem Off einen verstockten Waldviertler fragen. Und muss manchmal lange auf die Antworten warten. Oft fällt nur ein einziges Wort, eingebettet in langes Schweigen.

Geyrhalter lässt seinen Protagonisten Zeit und Raum, ihre Persönlichkeiten – auch in aller Schrulligkeit – zu entfalten. Für Herrn Semper beispielsweise ist die Arbeitslosigkeit weniger Tragödie als endlich Gelegenheit, seine Sammlung an deutschen Schlagern zu katalogisieren. Eine Ex-Kollegin übernimmt die Erziehung ihrer Enkel und bessert das Gehalt mit Dosensammeln auf.

Was zehn Jahre Arbeitslosigkeit für Ihren Mann bedeutet? "Er ist grantig geworden", sagt eine Ehefrau. Doch wir wissen längst mehr.

Info: Über die Jahre. Österreich 2105. 188 Minuten. Von Nikolaus Geyrhalter.

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Eine junge Frau sucht in einer düsteren Zukunftswelt nach ihrer Bestimmung. Sie ist zugleich Hoffnungsträgerin für das in Gruppen gespaltene Volk als auch Werkzeug der Führungselite. Man meint, sich in "Die Tribute von Panem" wiederzufinden. Die Verfilmungen von Veronica Roths "Bestimmung"-Buchreihe bedienen einmal mehr das so populäre "Young Adult"-Genre.

Wir sind, nach "Divergent", in Teil zwei der Teenager-Trilogie angekommen. Tris Prior (Shailene Woodley nun mit schicker Kurzhaarfrisur) kehrt zurück in das von der Außenwelt abgeschnittene Chicago, um herauszufinden, weshalb "Ken"-Anführerin Jeanine (Kate Winslet als böse Königin) sie verfolgen lässt. Als "Unbestimmte" gehört Tris keiner der fünf Fraktionen an: Ken, Ferox, Altruan, Candor und Amite.

Nach gewaltsamen Auseinandersetzungen an der Seite von Four (Theo James) stellt sich Tris freiwillig im Ken-Hauptquartier. Dort soll sie fünf Prüfungen in Form von Simulationen bestehen, bevor eine geheimnisvolle Box geöffnet werden kann.

In surrealen, traumartigen CGI-Sequenzen schwebt etwa ein brennendes Haus über zerfallenden Wolkenkratzern. Das erhört zwar (auch in 3-D) den Schauwert. Allein die allzu konstruierte Geschichte vermag, trotz toller Schauspieler, nie richtig zu fesseln.

Info: Die Bestimmung – Insurgent. USA 2015. 119 Min. Von Robert Schwentke. Mit: S. Woodley, Miles Teller, Naomi Watts.

KURIER-Wertung:

Verstehen Siedie Béliers?

Tragikomödie. Nicht jeder versteht die Béliers, die gehörlos sind und sich in der Gehörlosensprache unterhalten. Einzig ihre Tochter Paula kann nicht nur sprechen, sondern auch wunderbar singen. Sie fungiert als Dolmetscherin zwischen ihrer Familie und deren Umwelt. Die Krise bricht aus, als sie nach Paris zum Gesangsstudium übersiedeln will. Überspitzte Coming-of-Age-Tragikomödie, die sehr besonders sein möchte und dabei sehr konventionell bleibt.

The Boy Next Door

Thriller. Schwerer Fehler: Jennifer Lopez lässt sich als alleinerziehende Mutter auf einen Seitensprung mit dem Nachbarn ein und wird dann von diesem gestalkt.

Im Namen des ...

Drama. Polnisches Drama um einen schwulen Priester, der sich zu einem seiner Schützlinge hingezogen fühlt. Erhielt 2013 den Teddy-Award der Berlinale.

Vielen Dank für Nichts

Komödie. Nach einem Skiunfall landet ein Jugendlicher im Rollstuhl und muss sich neu orientieren. Dazu plant er einen Überfall.