Kultur

Semino Rossi: "Ich habe nie Singen gelernt"

Herr Rossi, ich dachte mir schon, dass Sie in Wahrheit nicht Rossi heißen, aber dass Semino ihr Nachname ist, war auch überraschend.

Das war die Idee meiner ersten Plattenfirma. Die Leute dort wollten nicht, dass ich Omar Ernesto Semino heiße und meinten, Semino Rossi klänge gut. Deshalb haben wir den Namen genommen.

Das ist ja wie bei einer Hochzeit. Wie lange haben Sie gebraucht, um sich an den Namen zu gewöhnen?

Es war sehr komisch, wenn jemand Herr oder Frau Rossi zu uns gesagt hat, denn in Wahrheit heißen wir ja Familie Semino.

Sie stammen aus Argentinien. Nun klingt Omar so gar nicht argentinisch ...

Es ist auch kein argentinischer Name. Mein Uropa kommt aus dem Libanon und ist vor vielen Jahren ausgewandert. Und der Opa meines Vaters kommt aus Alessandria im Piemont, deswegen Semino.

Ihr Name ist in der Schlagerwelt dauerpräsent. Wissen Sie noch, das wievielte Album Sie nun produziert haben?

„Ein Teil von mir“ ist vielleicht das zwölfte – oder das 15.? Ich weiß es nicht. Es gibt so viele verschiedene Auskoppelungen – plus eine Nummer, plus zwei Nummern – dass ich den Überblick verloren habe.

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Semino Rossi im Interview mit Barbara Reiter über seine neue CD "Ein Teil von mir"

Eines bleibt immer gleich: Sie singen von der Liebe und davon, wie schön sie ist. Nun wissen wir doch aber alle, dass das nicht immer stimmt ...

Die Liebe ist ein Teil meines Lebens und ich habe immer versucht, über die Liebe zu singen. Ich fühle mich total wohl damit und kann mich damit identifizieren. Ich könnte auch über Politik singen, aber das wäre dann einfach nicht meins.

Und was macht jemand, der zwar Ihre Musik mag, aber nicht verliebt ist?

Von der Liebe träumen. Es gibt aber auch musikalische Alternativen. Ich jedenfalls singe weiterhin von der Liebe.

Das hat Ihnen die Beschreibung Romantiker eingebracht. Sind Sie im Alltag wirklich so romantisch?

Ich glaube, wenn du kein Romantiker bist, kannst du diese Lieder auch nicht so gut interpretieren. Ich versuche immer wieder, mit meiner lieben Frau romantische Stunden zu verbringen, zum Beispiel an unserem Hochzeitstag.

Ihre Muttersprache ist Spanisch. Es gibt Menschen, die selbst nach vielen Jahren in einem anderen Land, in Ihrer Muttersprache träumen. Gehen Ihnen die deutschen Lieder mittlerweile richtig ins Ohr?

Ich beschäftige mich stark mit den Texten, aber auf Deutsch sind sie für mich immer noch schwierig zu verstehen. Am Anfang meiner Karriere habe ich mir die Texte übersetzen lassen, damit ich auch weiß, was ich singe. Heute verstehe ich 90 Prozent, aber ich brauche immer noch Zeit, um die Lieder einzustudieren.

Ihr Deutsch ist auf Ihre sehr spezielle Art perfekt ...

Perfekt ist anders, ich benutze auch immer die gleichen Worte. Am Anfang haben viele Leute gesagt, dass ich Deutsch lernen muss und andere haben gesagt, lerne es nicht zu gut, sonst verlierst du deinen Charme. Aber normalerweise hätte ich besser Deutsch lernen sollen.

Warum haben Sie es nicht getan?

Ich habe nie eine Sprachschule besucht. Das hätte ich aber machen sollen.

Sie sind mit 21 Jahren von Argentinien nach Spanien gezogen, um dort eine Musikkarriere zu starten. Warum hat es dort nicht geklappt?

Ich dachte auch, dass es leichter werden würde. Ich konnte die Sprache und konnte singen. Aber dann habe ich keinen Plattenvertrag bekommen und bin weitergezogen.

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Sie sind über Frankreich und Italien nach Österreich gekommen, haben auf der Straße und in Lokalen lateinamerikanische Lieder gesungen und mussten 20 Jahre auf Ihren Durchbruch warten. Haben Sie nie an sich gezweifelt?

Ich war glücklich, dass ich Musik machen konnte. Natürlich hätte ich mir gewünscht, es in einer anderen Größendimension zu tun, aber zu singen und von der Musik zu leben, war mein größter Wunsch – obwohl ich viele Jahre ohne meine Frau die Miete nicht bezahlen hätte können.

Südländische Männer sind bekannt dafür, sehr stolz zu sein. Was ist da in Ihnen vorgegangen?

Das war nicht sehr angenehm, dass meine Frau nicht nur die Miete, sondern auch viele andere Dinge bezahlen musste. Aber wenn du mit jemandem zusammen bist, teilst du alles, was du kannst. Die Liebe hat uns gefunden und wir haben es akzeptiert.

Sie haben Ihre Frau kennengelernt, als Sie in einem Lokal in Innsbruck ein paar Lieder zum Besten gegeben haben. Stimmt es, dass Sie damals 20 Schilling von ihr bekommen haben?

Das stimmt und ich sage immer, dass das die beste Investition ihres Lebens war. Ich bin mit einem Freund in das Lokal gekommen und wir haben drei Nummern gesungen. Da habe ich sie gesehen.

Wussten Sie sofort, dass Sie füreinander bestimmt sind?

Es war ein besonderer Augenblick für uns beide. Wir haben uns nicht verliebt, aber ich dachte mir schon, dass sie eine sehr nette und hübsche Frau ist. Wir haben ein bisschen geplaudert und Gabi hat nicht geglaubt, dass ich aus Argentinien bin. Dann haben wir Telefonnummern ausgetauscht und sie hat mich ein paar Tage später angerufen. Nach drei Monaten haben wir zusammengewohnt.

Sie leben mit Ihrer Frau in einer Tiroler Gemeinde. Ist es schwierig für einen Argentinier, dort heimisch zu werden?

Zuhause kann man überall sein, es kommt nur darauf an, dass man geliebt wird. Ich bin jetzt schon 30 Jahre hier, länger, als ich je in Argentinien gelebt habe. Ich fühle mich als halber Tiroler und habe viele Freunde hier. Ich fühle mich wohl in dem Land, das mir die Chance gegeben hat, meinen Traum zu erfüllen.

Sie wurden auf einer Geburtstagsparty in Innsbruck entdeckt. Wie hat dieses Entdecken in Ihrem Fall ausgesehen?

Ich hatte das Glück, dass dort eine Vorsitzende von Koch Records eingeladen war. Ich habe ihr damals eine CD mit spanischen Liedern von mir gegeben. Drei Tage später hat mich der Chef der Plattenfirma angerufen und gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, auf Deutsch zu singen. Ich habe im Laufe der Zeit so lange erfolglos Briefe an Plattenfirmen geschrieben, dass ich es erst nicht glauben konnte. Ich hätte auch auf Arabisch gesungen.

20 Jahre auf so einen Moment zu warten, ist eine lange Zeit ...

Ich habe ja nicht gewusst, dass es 20 Jahre dauern wird, aber ich habe gewusst, dass irgendwann meine Zeit kommen wird. Zu dem Zeitpunkt hatten mich viele schon abgeschrieben. Der große Erfolg kam bei mir ja erst mit 41 Jahren.

Plötzlich berühmt. Ihre beiden Töchter waren damals schon auf der Welt. Wie hat Ihre Familie diese Veränderung aufgenommen?

Das war nicht so einfach, plötzlich haben mich die Leute im Supermarkt erkannt. Ich war trotzdem froh, dass es passiert ist.

Hat sich Ihr Leben materiell verändert?

Wir haben immer einfach gelebt. Ich kann mich noch erinnern, dass ich mit Gabi am Anfang unserer Beziehung in einem Einzelbett in ihrer 35-Quadratmeter-Wohnung geschlafen habe und mir einen Hocker kaufen musste, um meine Beine irgendwo hinzulegen. Nach dem Erfolg bin ich aber bescheiden geblieben. Natürlich haben wir uns auch Träume erfüllt und waren auf den Malediven, aber ich habe im Laufe der Zeit gelernt, dass die einfachen Dinge die wichtigsten sind, wie Zeit mit der Familie.

Wenn andere längst Playback singen, singen Sie noch immer live. Hatten Sie eine professionelle Ausbildung?

Leider habe ich nie professionell singen gelernt. Ich habe nur einmal einen Kurs in München gemacht, vor vielen Jahren. Aber das waren nur drei, vier Wochen. Eine Ausbildung hätte mir sicher nicht geschadet. Es wäre sicher noch besser gegangen.

Das wäre dann ja fast schon kitschig.

Naja, das sollte man schon machen. Schule ist wichtig.

Die haben wir Gott sei Dank hinter uns. Die Herausforderung Ihres Lebens ist es, innerhalb kürzester Zeit oft 50 Auftritte hintereinander zu absolvieren. Was passiert, wenn der Adrenalinspiegel sinkt und Sie wieder nach Hause kommen?

Die ersten zwei, drei Tage sind schon ein bisschen anders. Du bist den Rhythmus der Tour gewohnt und fühlst dich einfach verloren, aber die Familie bringt dich wieder in die Realität zurück. Das ist ja auch das Schöne: wieder ein normaler Mensch zu sein und kein Star.

Viele Kollegen klagen über Konkurrenz im Schlagerzirkus. Wie erleben Sie das?

Ich sage immer, die Sonne scheint für jeden von uns. Ich weiß nicht, ob es dieses Konkurrenzdenken gibt. Als ich angefangen habe, wurde ich von Kollegen wie Andi Borg oder Florian Silbereisen in den Arm genommen und gut behandelt. Jeder sollte seinen Weg machen. Die Entscheidung trifft schlussendlich immer das Publikum.

Der Schlagerwelt wird häufig vorgeworfen, eine heile Welt vorzuspielen. Wenn man Ihnen zuhört, hat man das Gefühl, dass Ihre Welt durch und durch heil ist. Gibt es keine Brüche in Ihrer Schlagerkarriere?

Nach einer Tour vielleicht, da fällst du in ein Loch. Abgesehen davon, habe ich ein gutes Leben. Ich singe immer noch und habe eine wunderschöne Familie.

Wie lange möchten Sie noch singen?

Solange wie möglich. Bis mich die Leute nicht mehr hören wollen.

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Semino Rossi, 55, wird 1962 in Rosario, Argentinien, geboren. Er wächst in einer musikalischen Familie auf, seine Mutter spielt Klavier, der Vater singt. Semino selbst nimmt schon in der Schule an verschiedenen Singwettbewerben teil, ist sich seiner außergewöhnlichen Stimme bewusst und beschließt, Sänger zu werden. Mit 21 verlässt er die Heimat, um in Spanien durchzustarten. Als er keinen Plattenvertrag bekommt, reist er als Straßenmusiker weiter durch Europa und landet schließlich in Innsbruck, wo er aber erst 20 Jahre später als Sänger entdeckt wird. Seither ist Semino Rossi Star der Schlagerszene, der unzählige Alben veröffentlicht hat. Er lebt mit seiner Frau Gabi und zwei Töchtern in der Tiroler Gemeinde Mils. Er hat in Argentinien einen größeren Bruder, Daniele, der amateurmäßig Schlagzeug spielt.

Info: Das neue Album von Semino Rossi „Ein Teil von mir“ ist soeben bei Ariola erschienen. Am 18. 7. tritt er bei der Schlagernacht am Neusiedlersee auf, am 22. Juli ist er in der Starnacht am Wörthersee im ORF zu sehen.

www.seminorossi.com