Kultur

Sehnsuchtsgeschichte statt Korruptions-Farce

Das Wiener Burgtheater eröffnet am Freitag seine neue Spielzeit mit einem Komödienklassiker: Nikolaj Gogols "Der Revisor". Das 1836 uraufgeführte Stück hat eine meisterhaft gebaute Handlung: In einem Städtchen macht das Gerücht die Runde, ein Kassenprüfer sei inkognito unterwegs, um die Kassenbücher unter die Lupe zu nehmen. Dieses Gerücht reicht, um Panik zu verbreiten, schließlich hat jeder Dreck am Stecken. Als auch noch ein Zechpreller, der schmarotzend im Ort lebt, für den Revisor gehalten wird, bricht Chaos aus.

Dolos?

Als bekannt wurde, dass die Burg ausgerechnet dieses Schlüsselstück um "dolose Vorgänge" und "kreative Buchhaltung" ansetzen würde, wollten dies viele als Kommentar zur Finanzkrise der Burg interpretieren. Eine Sichtweise, die aber nicht zulässig sei, wie Burgtheater-Direktorin Karin Bergmann im KURIER-Interview betont. Und der Regisseur Alvis Hermanis ließ wissen, der Aspekt der Korruption interessiere ihn weniger – es gehe um "Existenzielleres", sagte er gegenüber der Bühne.

Karin Bergmann: "Alvis zeigt eine völlig verlotterte, korrupte Gesellschaft. Aber auch eine Gesellschaft, die eine große Sehnsucht hat, aus ihrem kläglichen Alltag herauszubrechen, sich neu zu orientieren. Diese Chance müssen sie ergreifen, auch wenn sie gar nicht verstehen, was da auf sie zukommt."

Und Chefdramaturg Klaus Missbach interpretiert im KURIER-Gespräch die Intentionen des Regisseur so: "Alvis Hermanis ist ein Menschenfreund. Er sucht immer das Positive in seinen Figuren. Auch im ,Revisor‘ möchte er nicht nur zeigen, dass alle schlecht und korrupt sind, sondern er möchte verstehen, warum das so ist."

Der lettische Regisseur hat das Stück bereits 2002 in Riga inszeniert – und bezog sich damals auf die blühende Korruption in seiner Heimat. Mit dieser Inszenierung gewann er auch den "Young Director’s Award" bei den Salzburger Festspielen 2003. Dass er diesmal eine andere Perspektive wählt, liegt wohl daran, dass er den Text schon einmal auf die Bühne brachte und diesmal an anderen Erkenntnissen interessiert war.

Besetzung

Wie am Burgtheater üblich, steht Hermanis eine großartige Besetzung zur Verfügung. Michael Maertens spielt den bestechlichen Bürgermeister, Maria Happel dessen Frau, Fabian Krüger den Hochstapler. In weiteren Rollen: Dörte Lyssewski, Dietmar König, Martin Reinke, Johann Adam Oest ...

Maertens präzisierte in der Bühne die Stoßrichtung der Inszenierung: "Es handelt sich um ein Sehnsuchtsstück. Da geht es nicht nur um die Spießer einer Kleinstadt, die keineswegs bei dubiosen Machenschaften ertappt werden wollen, sondern sie haben auch die Sehnsucht, aus diesem Kaff rauszukommen."Ein großes Interview mit Karin Bergmann und Klaus Missbach lesen Sie im Sonntags-KURIER.