Schwechat: Die perfekte Sommertheater-Premiere
Von Guido Tartarotti
Welche enorme Sprengkraft Nestroy immer noch besitzt, wenn man seine Komik ernst nimmt, das zeigte sich im Vorjahr. In der Inszenierung gab es das, was für Nestroy selbstverständlich war – nämlichregierungskritische Strophen in Couplets.
Die FPÖ zeigte sich empört, forderte die Streichung der Texte – und stimme schließlich im Gemeinderat gegen die Subventionierung der Festspiele – die Schwechat im Kulturleben Österreichs seit Jahrzehnten einen respektierten Fixplatz bringen. „Warum ned gar!“, wie Nestroy gesagt hätte.
Diese unsinnige Vorgangsweise führte zu einem Solidarisierungseffekt – und heuer wurde das Thema naturgemäß, unter dem Jubel des Premierenpublikums, in den Couplets verarbeitet.
Und damit sind wir im Jahr 2019 und im wunderschönen Innenhof des Schlosses Rothmühle, wo dem wunderbaren Ensemble und Leading Team rund um Intendant und Regisseur Peter Gruber nicht weniger als die perfekte Sommertheater-Vorstellung gelingt.
Unbekanntes Stück
Dabei hatte man es sich schwer gemacht – und mit „Wohnung zu vermieten“ ein unbekanntes Stück des großen, bösen Komödianten ausgewählt. Die Bearbeitung einer deutschen Vorlage fiel bei der Uraufführung durch.
„Wohnung zu vermieten“ ist weniger ein Stück – die Handlung ist mager und paradoxerweise gleichzeitig eher unübersichtlich, alle sind irgendwie in alle verliebt, und alle wollen umziehen – als ein satirischer Menschenzoo, voll von herrlich grotesken, gar nicht sympathischen Typen. Karl Kraus soll folglich das Stück sehr geschätzt haben.
Regisseur Peter Gruber gelingt eine rasante, hoch komische, abgründige, böse Inszenierung, die das Publikum unterhält und begeistert.
Das größte Wunder aber: Es gelingt diesem aus Profis, Halbprofis und Amateuren zusammengesetzten Ensemble, die geradezu absurde Zahl an Rollen – es sind 37! – ausnahmslos hervorragend zu besetzen.
Tolles Ensemble
Es ist fast unfair, einzelne Darsteller herauszuheben, aber einige seien stellvertretend genannt. Robert Herret ist ein herrlich versoffener, gewissenloser Hausmeister mit Liebes-Ambitionen. Bruno Reichert und Bella Rössler porträtieren das Spießer-Ehepaar Gundlhuber ganz vorzüglich. Marc Illich ist großartig als schleimiger Notar Kleefeld, Michaela Prendl zeigt als dessen Schwester erotischen Eigensinn. Ines Cihal ist als Edelprostituierte höchst verführerisch.
Das sich aus lauter Holzkästen zusammensetzende Bühnenbild von Intendant Peter Gruber ermöglicht herrlich absurde Tür auf/Tür zu-Effekte.
So entsteht ein virtuoses, bei alles drastischen Komik sehr genau gezeichnetes Bild einer Gesellschaft, die sich selbst nicht mehr traut – ein Bild, das uns mehr über uns erzählt, als uns lieb sein kann.
Völlig zu Recht großer Jubel vom Publikum.