Kultur

Sagmeister im MAK: Perfekte Inszenierung von Banalitäten

Stefan Sagmeister ist tatsächlich ein Meister – in der perfekten Inszenierung von Banalitäten. Und natürlich vermag er zusammen mit seiner Partnerin Jessica Walsh effektvoll Staunen auszulösen.

Auch „Beauty“, das überbordende Nachfolgeprojekt der „Happy Show“, ist designmäßig durchchoreografiert: von der eigens entwickelten Schrift, betont rund und mit Serifen, bis zum Logo, einem barockisierenden „B“, geflochten aus einer Schlange und vielen Rosen. Dieses Brezel ist an Kitschigkeit kaum zu übertreffen und erinnert an die schwülstigen Skulpturen-Monster, mit denen Damien Hirst 2017 in Venedig die Massen beeindruckte.

Bereits das Entrée ist spektakulär: Um in die Säulenhalle des MAK zu gelangen, hat man einen „Nebelvorhang“ zu durchschreiten, auf den Sagmeister das in abertausende Lichtpunkte explodierende „B“ projiziert.

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Als erstes Objekt sieht man bereits von der Ferne einen ausgestopften, Rad schlagenden Pfau. Schönheit sei die Strategie vieler Tiere, um den besten Partner zu finden. Dies gelte auch für den Pfau. Die Federn allerdings würden, so liest man, auch die Bewegungs- und Flugfähigkeit behindern, was ihn, den Pfau, zur leichten Beute für Räuber macht.

Alles ist Oberfläche

Dieser schillernde Pfau steht wie kein anderes Exponat für die Ausstellung, die von Manufactum wahrscheinlich mit dem Attribut „hochwertig“ beschrieben würde. Alles, wirklich alles, wurde vom Studio Sagmeister & Walsh veredelt. Selbst die Werbematerialien. Geadelt durch das applizierte „B“ kostet das matt glänzende Einkaufssackerl 15 Euro, für den aufwendig gestalteten Katalog (mit Silberschnitt!) nimmt man 40 Euro. Er werde, hofft Hausherr Christoph Thun-Hohenstein, „hoffentlich ein heiß begehrtes Weihnachtsgeschenk“ sein.

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Als Must-have könnte sich das Sweater des Personals herausstellen. Denn es ist tief blau (wie die Lieblingsfarbe der Menschheit), und der aufgenähte weiße Kreis (die Lieblingsform der Menschheit) glitzert ganz toll.

Im Keller wird man zudem auf einen bunt eingestrickten Feuerlöscher stoßen. Sieht doch gleich viel besser aus. Mit aufgeklebten Saalbeschriftungen gibt sich das Design-Duo aus New York selbstredend nicht zufrieden: Raffiniert beleuchtete Schriftschablonen werfen die Sprüche oder Statements als Schatten an die Wand.

Alles ist Blendwerk

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Dieses Klimbim nimmt definitiv gefangen. Doch es ist nur Blendwerk. Denn Sagmeister & Walsh bieten keine ernst zunehmende Auseinandersetzung mit dem Thema Schönheit, sie illustrieren lediglich mit großer Geste Binsenweisheiten. Das Niveau einer wissenschaftlichen Anstalt – und das MAK ist als Bundesmuseum eine solche – wird immerzu unterlaufen.

Zudem stellen Sagmeister & Walsh beinahe reaktionäre Behauptungen auf. Denn sie beklagen einen Verlust der Schönheit im 20. Jahrhundert und machen dafür die Moderne verantwortlich. Dass es Marcel Duchamp mit seinem Urinal als Ausstellungsobjekt vielleicht um etwas anderes gegangen sein könnte als um Ästhetik, kommt den Designern nicht in den Sinn. Für sie hat er lediglich versucht, „die Schönheit aus der Kunst zu eliminieren“. Dazu sieht man eine plumpe Kopie des signierten Readymades – samt Hinweis, dass dieses Urinal „voll funktionstüchtig“ sei.

Auch mit Adolf Loos geht Sagmeister hart ins Gericht. Schließlich hatte der Architekt in seinem Essay „Ornament und Verbrechen“ die reich verzierten Fassaden der Zinskasernen kritisiert, hinter denen die Arbeiterfamilien auf engstem Raum im Elend hausen mussten.

Heilsbringer Sagmeister sieht es ganz anders: Je schöner die Umgebung, desto zufriedener die Menschen.

Videorundgang durch die Ausstellung

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Natürlich kann man Klage führen, dass die Architekten braune Quader bauen, da ja bekanntlich braun als die hässlichste Farbe und das Rechteck als die hässlichste Form angesehen würden. Doch die wirtschaftliche Notwendigkeit zum nüchternen Wohnbau (mit Badezimmer in jeder Einheit anstatt Bassena am Gang) klammert Sagmeister völlig aus. In seiner hohlen „Beauty Show“ glitzern die Swarovski-Glassteinchen – und vor dem MAK stehen die von Sagmeister optisch aufgepimpten Jaguars.

Als Mitmach-Ausstellung aber, die nichts abverlangt, funktioniert „Beauty“ wunderbar. Man darf mit Papierjetons – als Ticket erhält man fünf Stück – darüber entscheiden, welche Landschaft am schönsten ist und welche Essenz am besten riecht, man darf Vorlagen mit Buntstiften ausmalen, sich eine VR-Brille aufsetzen und eine virtuelle Plastik erschaffen. Man darf sich auch Gedanken über die Schönheit der Toilette machen.

Alles ist Unterhaltung

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Man darf schöne Plattencovers aus dem letzten halben Jahrhundert betrachten (darunter die „Banane“ von Andy Warhol für Velvet Underground), die U-Bahn-Stationen von München und Moskau miteinander vergleichen, die Sinneswahrnehmung auf die Probe stellen – und wenn man ganz mutig ist, nimmt man eine schön eingebundene Buchattrappe vom Stapel der dreidimensionalen Grafik, die veranschaulichen soll, dass das Wort „Schönheit“ nach dem Zweiten Weltkrieg aus der Mode gekommen ist.

Man wird feststellen, dass ein tatsächliches Buch Verwendung fand. Der Titel lautet bezeichnenderweise „Something Real“. (Bis 31.3.)

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