Kultur

"Johanna" als Heiligen-Standbild

Der letzte Satz von Schillers „Die Jungfrau von Orleans“ lautet: „Kurz ist der Schmerz, und ewig ist die Freude“. Das ist ein schöner letzter Satz für ein großes Theaterstück, beinahe so gut wie der beste letzte Satz aller Zeiten: „Der Rest ist Schweigen“ („Hamlet“).

Wobei Generationen von Gymnasiasten jetzt vermutlich protestieren würden: Kurz ist bei Schiller-Stücken gar nichts, und anschließend gibt es weder Freude noch Schweigen, sondern eine mündliche Prüfung.

Und damit ins Salzburger Landestheater, den Schauplatz dieser Geschichte. Dort hatte Michael Thalheimers Inszenierung von Friedrich SchillersJungfrau von OrleansFestspiel-Premiere.

Überlänge hat Thalheimers Fassung nicht – mit knapp zweieinhalb Stunden ist sie straff. Dennoch geht es nicht ganz ohne Schmerzen ab, denn Thalheimer inszeniert die Geschichte als reines Wort-Konzert, Szenen werden nur angedeutet, die Darstellerin der Johanna steht während der gesamten Inszenierung fast völlig regungslos, auch die anderen Schauspieler dürfen sich kaum bewegen. Die heilige Johanna ist hier bereits zu Lebzeiten ein Denkmal.

Szenenfotos der Inszenierung

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Wer Thalheimers Burg-Inszenierung von „Elektra“ gesehen hat, kennt diesen Stil: Damals fand die gesamte Handlung in einem Spalt über der Bühne statt.

Doch während sich diese „Elektra“ zu einem Meisterwerk verdichtete, hat „Johanna“ aufgrund der reduzierten Darstellung immer wieder Längen. Ja, Schillers merkwürdig glühende Sprache packt und fasziniert heute noch. Aber seine Monologe können auch ermüden. Und so hörte man im Publikum immer wieder Seufzen und Murmeln und Sesselknarren.

Schillers Stück folgt der Geschichte der historischen Jeanne d’Arc, die himmlische Stimmen zu hören glaubte, aufseiten der Franzosen in den Hundertjährigen Krieg eingriff und in den Mühlen der Politik vernichtet wurde. Nur das Ende hat Schiller neu gedichtet: Seine Johanna wird nicht verbrannt, sondern sucht den Tod in der Schlacht. Weil sie sich ausgerechnet in einen Feind verliebt und damit gegen das Ideal der Jungfräulichkeit verstoßen hat.

Wie bei „Elektra“ hat der großartige Olaf Altmann ein tolles Einheitsbühnenbild entworfen: Johanna steht unter einem dunklen Himmelsgewölbe, beschienen nur von einer Mondsichel.

Im letzten Akt, als sich die Lichtstimmung ändert, sieht das selbe Bühnenbild plötzlich wie das Gewölbe eines Kerkers aus, mit einem winzigen Lichteinlass . Ein logisches Bild, folgt man der Deutung, die Regisseur Thalheimer in Interviews vorgeschlagen hat: Vielleicht träumt Johanna, auf ihre Hinrichtung wartend, alles nur?

Beeindruckend

Kathleen Morgeneyer liefert als Johanna eine körperlich wie darstellerisch beeindruckende Leistung: Nur mit Stimme und Mimik erzählt sie von Glauben und Krieg und Tod. Aus dem sehr guten Ensemble seien Christoph Franken aus ängstlicher König und Alexander Khuon als menschlich berührender Lionel hervorgehoben.

Fazit: Eine Inszenierung, die man sich erkämpfen muss, wenn man denn möchte. Jubel, aber auch Buhs.

KURIER-Wertung: **** von *****