Kultur

"Instrumente besiegen Drogen und Gewalt"

Seit einer Woche laufen die Salzburger Festspiele bereits, aber erst jetzt tun sie das quasi mit amtlichem Stempel: Freitagvormittag wurden die 93. Festspiele von Bundespräsident Heinz Fischer bei einem Festakt in der Felsenreitschule offiziell eröffnet.

Wie schon in früheren Eröffnungsreden warb Fischer für mehr Verständnis für Europa, bekannte sich aber auch zu aktiver Entwicklungspolitik: „Politik muss genauso international sein wie Kunst.“

Die Eröffnungsfeier stand ganz im Zeichen des Kunst- und Sozialprojekts „ El Sistema“: Bereits zwei Millionen großteils sozial benachteiligter Kinder konnten in den vergangenen 38 Jahren in Venezuela dank dieses Projekts kostenlosen Musikunterricht genießen. 1350 dieser Kinder sind heuer bei den Festspielen zu Gast.

Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler würdigte dieses Projekt: „Möge ,El Sistema‘ von Salzburg aus Weltkarriere machen!“ Rabl-Stadler verglich „El Sistema“ mit den Idealen der Festspielgründer – es gehe um die „Kraft der Kunst zur Veränderung der Gesellschaft zum Besseren.“

Auch der neue Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer griff bei seiner ersten Festspielrede diesen Gedanken auf, indem er die Kraft der Träume beschwor und Martin Luther Kings berühmten Satz „I have a dream“ zitierte. Haslauer an die Künstler: „Träumen Sie weiter! Wir, die Welt, brauchen Ihre Visionen!“

Wie alle Redner pries auch Kulturministerin Claudia Schmied die Idee von „El Sistema“. Diese Initiative stehe für Hoffnung. Schmied wünscht sich „neuen Optimismus, Zuversicht, ein gutes Selbstbewusstsein“. Schmied sagte aber auch, ausdrücklich an Finanzministerin Fekter adressiert: „Kunst und Kultur wollen ausreichend finanziert werden.“

Musik besiegt Gewalt

Offizieller Festredner war José Antonio Abreu, 74, der Gründer von „El Sistema“. Seine Hauptthese: Musik besiege Drogen, Gewalt und Armut. Künstlerische Erziehung sei daher von essenzieller Bedeutung. „Als Musiker und Künstler möchte ich vorschlagen, dass die Salzburger Festspiele in solidarischer Zusammenarbeit mit der UNESCO das weltweite ,Pädagogische Projekt‘ vorantreiben.“

Quasi als Beweis für Abreus Thesen spielten 190 junge Musiker aus Venezuela – das Youth Orchestra of Caracas – Werke der Jahresregenten Verdi und Wagner, aber auch von Alberto Ginastera und Bernstein – und begeisterten das Publikum.

José Antonio Abreu, der in Venezuela in den vergangenen 38 Jahren Musikunterricht für etwa zwei Millionen junge Menschen aus meist schlechten sozialen Verhältnissen organisiert hat, stellte die moralische und gesellschaftspolitische Bedeutung seines Projekts erwartungsgemäß in den Mittelpunkt seiner Eröffnungsrede.

Der 74-Jährige bedankte sich vor allem für das Vertrauen jener Schüler und Lehrer, die das " Sistema" seit seiner Gründung vor 38 Jahren begleiten: "Die hohen Ideale, die sie geleitet haben, sind mit dem Schicksal der Kinder und Jugendlichen Lateinamerikas verbunden. Für die jüngeren Generationen erfüllt die Kunst heute mehr denn je eine Aufgabe, die über die rein schöngeistigen Werte hinausgeht. Sie umfasst immer deutlicher andere zentrale Lebensbereiche. Die neue musikalische Generation in Lateinamerika demonstriert, wie ein ganzer Kontinent mit seinen Orchestern sowie Jugend- und Kinderchören ein zukunftsträchtiges Modell gefunden hat."

"Horch auf die Musik!'“

Weiters brach der Politiker, Ökonom und Musiker eine Lanze für die "Trias von Schönheit, Wahrheit und Güte" als ästhetischen und moralischen Zustand des individuellen und kollektiven Menschen. "Bereits für Plato waren die Harmonie des Lebens und sogar die moralische Veranlagung von einem ästhetischen Sinn für Rhythmus und Wohlklang bestimmt. Beide dringen tief in die Seele ein, bemächtigen sich ihrer, und schenken dem Menschen Grazie, Besonnenheit und Würde. Dies jedoch nur, wenn die Erziehung den Weg dafür bereitet hat. Plato ist Shakespeares Erkenntnis zuvorgekommen: 'Der Mann, den nicht die Eintracht süßer Töne rührt, taugt zu Verrat, zu Räuberei und Tücken. Die Regung seines Sinns ist dumpf wie Nacht, sein Trachten düster wie der Erebus. Trau keinem solchen! – Horch auf die Musik!'“

Die Demokratisierung eines Bildungssystems, das allen Kindern Zugang zu Literatur und Kunst, zur Philosophie und zum gemeinschaftlichen Leben gewährt, sei unabdingbar, um die zivile Gesellschaft und den Staat tief gehend zu erneuern, argumentierte der "El Sistema"-Gründer weiter. "Als Musiker und Künstler möchte ich vorschlagen, dass die Salzburger Festspiele in solidarischer Zusammenarbeit mit der UNESCO das weltweite 'Pädagogische Projekt' vorantreiben."

Denn, so Abreu, "Chor und Orchester bilden eine Gemeinschaft, die sich ständig aufeinander abstimmt. Als künstlerische Einrichtung sind sie ein Vorbild, ein Spiegel und eine unübertreffliche Schule des gesellschaftlichen Lebens. Je nach ihren persönlichen, technischen oder künstlerischen Begabungen fördern die Aktivitäten von Orchestern und Chören bei Kindern und Jugendlichen einen solidarischen Gemeinschaftssinn. Sie erhöhen zudem ihr Selbstwertgefühl und festigen ethische und ästhetische Werte, die die Beschäftigung mit Musik mit sich bringt." (APA)