Rostains Buch über "seinen" toten Jungen
Von Peter Pisa
Sie nahmen aus der Urne ein paar Messerspitzen Asche. Ein Teil kam in eine Dose und wurde aufs Bücherregal gestellt. Ein Teil kam in ein rosa Säckchen aus Seide, und damit flogen die beiden Franzosen nach Island, wo sie eine Woche lang den richtigen Platz suchten. Am Hang des Eyjafjallajökull streuten sie die weiße Asche auf die schwarze Vulkanasche.
Sieben Jahre später, 2010, brach der Vulkan aus, und vielleicht kehrte ihr Sohn dadurch nach Frankreich zurück ...
Tut gut, wenn man solche Geschichten hat. Tut gut, wenn man sie erzählt. Ebenso, wenn man sie liest. Opernregisseur Michel Rostain und seine Frau hatten den Sohn verloren, als er 21 war. Alle dachten, er hätte Grippe. Es war eine tödliche Meningitis.
Bettwäsche
Rostains Roman "Als ich meine Eltern verließ" gewann im Vorjahr den Goncourt-Nebenpreis fürs beste Debüt. In 14 Sprachen ist er inzwischen übersetzt worden, jetzt liegt er auf Deutsch vor. Folgendes Zitat macht klar, in welcher Art der 67-Jährige mit viel Liebe über das Sterben, das Begräbnis und die Trauerarbeit geschrieben hat:
"Am elften Tag nach meinem Tod brachte Papa meine Bettdecke in die Reinigung. Er läuft die Rue du Couédic entlang, die Arme voll Bettwäsche, in die er seine Nase steckt. Er meint, sie rieche nach mir. In Wahrheit stinkt sie, schließlich habe ich weder die Bezüge noch das Federbett jemals gewaschen Das empört ihn nicht mehr. Im Gegenteil: Noch ist zwischen den weißen Falten etwas von mir vorhanden, das er zur Reinigung trägt wie das Allerheiligste."
Der tote, lässige Sohn schaut zu, wenn sich sein Vater nicht vom Unglück abbringen lässt.
Er ruft: "Ich bin tot, Papa, na und?"
Michel Rostain trägt seine Botschaft mit Sarkasmus (auf seine Kosten) in die Welt hinaus. Er weint, indem er "darüber" schreibt und sich belächelt. "Man kann damit leben. Es ist nicht das Ende." Er bemüht sich.