Kultur

Roncalli: Ein Besuch im Wiener Wagendorf.

Artisten-Alltag, beinhart. Im Zirkuswagen mit der Aufschrift Café des Artistes gibt es Frühstück nur bis neun. "Ohne Disziplin könnte man ein Unternehmen wie den Zirkus Roncalli nicht führen", erläutert Patrick Philadelphia. In der Sprache des Zirkus ist er der Sprechstallmeister. In der Sprache der Wirtschaft wäre er Betriebsleiter. Man könnte ihn auch als Dompteur im Flohzirkus beschreiben. "Zirkusleben, das ist wie ein Dorf auf Reise", weiß Pressemann Atha Athanasiadis, um sodann hinzuzufügen: "Das Dorf bleibt immer gleich, nur die Aussicht ändert sich." Die Aussicht auf Burgtheater und Rathaus ist auf der langen Städte-Tour, die Anfang März beginnt und erst Mitte Dezember endet, nicht die Schlechteste.

Athanasiadis rührt für den Zirkus die Werbetrommel. Dabei ist so ein Rühren für seinen Arbeitgeber, die Roncalli Regenbogen Tournee, in Wien scheinbar nur das Pünktchen auf dem i. Auf dem Rathausplatz ist man von Haus aus gesetzt. Ist Laufkundschaft und Aufsehen garantiert. Nur Auserwählte dürfen hier ihr Zelt aufschlagen.
Gegen Mittag kommt Leben ins Dorf. Der Señor im seidigen Bademantel verwandelt sich vor dem Spiegel in einen weißen Clown. Die Schlangenfrauen beginnen sich für die Nachmittagsvorstellung zu dehnen. Herr Philadelphia bekommt - wie jeden Tag - Besuch vom Wiener Magistrat. Und die 17 Pferde, Araber und Friesen, lang gediente, weiterhin lernfähige Mitarbeiter, fressen sich satt.

Neben den Pferden leben im Dorf 90 Menschen: Brasilianer, Russen, Ukrainer, Engländer, Ungarn, Bulgaren, Italiener und Spanier. Nicht nur Artisten, auch die Lehrerin für die fünf schulpflichtigen Kinder, dazu die Büroangestellten und die Manegenhelfer. Logistik und Wohnraum verteilen sich auf achtzig nostalgische Wägen.

Heute kein Zampano

Eine Mischung aus Nostalgie und Heimweh, dazu die Sehnsucht nach dem Wiener Theater-Publikum sollen den Zirkus-Zampano Bernhard Paul zurück in seine Heimatstadt gebracht haben. Doch reden wir heute ausnahmsweise nicht über ihn. Interessieren wir uns heute lieber für den musikalischen Leiter, der seit dreißig Jahren durch die Lande tingelt. Und der für sich und seine Familie im Wohnwagen eine Küche eingebaut hat. Nationalgericht der Tingler ist unabhängig von ihrer Herkunft eine Schüssel voll mit Spaghetti. Französische Küche vom Feinsten gibt es vom Kollegen mit dem Saxofon. Kein Wunder - er ist Franzose.
Im großen Zelt und davor wird eine halbe Stunde vor dem Auftritt die Muskulatur aufgewärmt und das Gehirn auf Vorstellung getrimmt. Akrobatin Shirley und ihr Vater David, der den Solo-Clown gibt, posieren für einen Fotografen. Doch man merkt: Die Spannung steigt, auch bei absoluten Profis. Schon bildet sich am Eingang eine Warteschlange. In diesem Moment hat auch der geduldige Herr Philadelphia kein Ohr mehr für technische Fragen. Schnell schlüpft er in seinen roten Frack. In wenigen Minuten wird er die Besucher im Zelt begrüßen. Für drei Stunden, so seine Maxime, sollen sie die Welt draußen am besten vergessen.

Roncalli-Fahrplan: In Linz endet’s heuer

Vorverkauf Karten gibt es derzeit bei allen WienTicket-Vorverkaufsstellen, telefonisch unter 01 / 35 55 666 bzw. 01/ 58 885, online unter www.roncalli-tickets.de und bei der Kassa auf dem Rathausplatz. Preise von 19 bis 55 €.
Österreich-Tour: Roncalli gastiert noch bis 20. Oktober auf dem Wiener Rathausplatz. Am 26. Oktober ist Premiere auf dem Grazer Messe-Gelände (bis 13. November). Abschluss der Städte-Tournee ist dann auf dem Linzer Urfahranermarkt: 18. November bis 10. Dezember.

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