Kultur

Rock in Vienna: Alles zum neuen Festival

Dieser Termin war der geeignetste. Denn da ist im internationalen Festivalkalender zwischen Frankreich, England, Deutschland und den Beneluxländern eine Lücke." Detlef Kornett, Vorstand des deutschen Konzert-Büros DEAG, sieht nichts Böses dabei, dass er das neue "Rock in Vienna"-Festival am Wochenende vor dem etablierten Nova Rock veranstaltet.

Seit im Herbst bekannt wurde, dass "Rock in Vienna" von 4. bis 6. Juni auf der Donauinsel stattfinden wird, wird diskutiert, ob Ostösterreich noch ein Rockfestival braucht. Aber auch, warum das neue so aggressiv gegen die Konkurrenz gebucht wurde. Diesen Vorwurf weist Kornett im KURIER-Interview beim Lokalaugenschein auf dem entstehenden Festivalgelände zurück: "Wir empfinden das in keinster Weise als aggressiv. Denn unser Festival ist eine Ergänzung zum bestehenden Angebot, kein Wettbewerb. Es ist in genügendem zeitlichen Abstand."

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Als Ergänzung bezeichnen die Veranstalter "Rock in Vienna", weil es ein Stadt-Festival ist, bei dem Gäste in Hotels schlafen können. "Natürlich kann es sein, dass zu uns mehr ältere Leute kommen, die keine Lust auf Camping haben. Aber wir haben auch für die 14- bis 29-Jährigen Camping-Angebote. Außerdem kommen – vor allem aus England – viele, die das mit einem Städtetrip verbinden."

Gäste aus Japan

Sogar in Japan wurden Karten für "Rock in Vienna" verkauft. Aber vermutlich nur wegen der Hysterie, die dort um die Band Babymetal herrscht – um drei japanische Mädchen, die zu Metal-Klängen singen und Popband-mäßig herumhüpfen.

Damit das neue Festival einen "deutlichen Wien-Bezug" bekommt, haben die Veranstalter dafür das "Mind/Soul"-Konzept entwickelt. Doch die Idee, ihm ein "Wissenschaft/Kunst"-Motto überzustülpen, wirkt eher kopflos. Denn sie beschränkt sich auf das Festival-Artwork, für das Images von Sigmund Freud und Klimts "Adele" mit Industrial-Grafik verändert wurden. Entsprechende Angebote im Rahmenprogramm gibt es nicht.

Aber dafür ist bei "Rock in Vienna" ohnehin keine Zeit. Denn hier werden zwei nebeneinander stehende Bühnen abwechselnd bespielt, wodurch es keine Umbaupausen gibt. Da geht es an den Abenden mit Faith No More und Metallica, mit The Hives, Incubus, Muse, Limp Bizkit und Kiss Schlag auf Schlag.

Was bei Rockkonzerten am meisten nervt

Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Verherrlichung der Technik und dem derzeitigen Mangel an Empathie", ist Muse-Frontmann Matt Bellamy überzeugt. "Wir haben im 20. Jahrhundert permanent die Präzision und Effektivität der Technik gepriesen und damit auch Politiker und Konzern-Manager, die genauso effektiv und präzise arbeiten. Was wir darüber komplett vergessen haben, ist, wie wichtig das Miteinander ist."

Weil militärische Drohnen "das beste Symbol dafür sind", hat der 36-jährige das neue Album seiner Band "Drones" genannt. Eine ganze Story hat er dazu geschrieben – musikalisch verpackt in einen wieder härteren Rock-Sound, gekrönt mit den typischen, hymnischen Refrains. Nachdem das britische Trio für ihre vorige elektronische CD "The 2nd Law" mehr an Computern saß, als als Band zusammengespielte, wollte die Band jetzt so wieder zu seinen Wurzeln zurückkehren.

Angriffe

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Am 5. Juni – genau an jenem Tag, an dem "Drones" auf den Markt kommt – werden Muse diesen neuen Sound beim "Rock In Vienna"-Festival auf der Donauinsel inWienvorstellen. Drohnen, die über ihren Köpfen schweben, sollten sich die Fans dabei aber nicht erwarten. Aus Sicherheitsgründen müssen Muse sich das für Hallenshows aufheben.

Auf das Thema "Drohnen" kam Bellamy, der sich seit jeher für politische Verschwörungstheorien interessiert, als er vor zwei Jahren "Predators: The CIA’s Drone War on Al Quaeda" las.

"Das stammt von einem Journalisten, der die Dokumente mit den Infos zum Drohnen-Krieg in Afghanistan und Pakistan entdeckt hatte", erklärt Bellamy. "Das Buch hat mich schockiert. Ich hatte ja keine Ahnung, wie furchtbar diese ferngesteuerten Angriffe sind – wie dabei Tausende Menschen sterben. Deshalb habe ich mich weiter über diese Technologie informiert und erfahren, dass sie jetzt an Drohnen arbeiten, die mit künstlicher Intelligenz bestückt sind und selbstständig entscheiden, wen sie umbringen."

Revolte

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Das, erzählt er weiter, sei sein zentrales Thema für das Album geworden. Deshalb erfand er für "Drones" die Story eines Protagonisten, der alle Hoffnung verloren hat, innerlich abstumpft und so leichte Beute für die Militärs wird, die ihn für ihre Zwecke benützen. Erst spät findet er wieder zu innerer Stärke und revoltiert.

"Ganz bewusst sage ich in den Texten nicht, schaut euch die religiösen Extremisten und die CIA an", sagt Bellamy. "Mir war viel wichtiger, eine emotionale Reise zu kreieren, die den Wert von eigenständigem Denken und Selbstverantwortung in den Vordergrund rückt. Eigentlich ist das ein uralter Gedanke. Denn dass es gefährlich ist, wenn Leute Befehle ausführen, weiß man seit dem Zweiten Weltkrieg. Autonomie und selbstständiges Denken sind meiner Meinung nach die einzige Chance für Veränderungen in unserer Gesellschaft. Denn die ist einer permanenten Beeinflussung – wenn nicht Gehirnwäsche – ausgesetzt. Sei es jetzt von religiösen Gruppen, Politikern, Konzern-Bossen, den Medien oder der Werbung. "

Persönlich

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Bellamy gibt gerne zu, dass nach der Trennung von seiner Verlobten Kate Hudson auch sehr viel Persönliches in "Drones" eingeflossen ist. Was genau, sagt er aber, falle ihm schwer zu definieren: "Ich denke, wo es um die Gefühle von Abgeschnittenheit, Ausgrenzung und Einsamkeit geht, gibt es sicher einen Zusammenhang. Man denkt natürlich viel über das eigene Leben nach, wenn man plötzlich wieder alleine ist."

Den fast vierjährigen Sohn Bingham betreuen Bellamy und Hudson – immer noch eng befreundet – gemeinsam. Die Sorge um seine Zukunft spielt auch in einige der Song von "Drones" hinein: "Ich wollte nicht, dass mein Sohn sich Extremisten anschließt oder in einem Konzern arbeitet, in dem Menschlichkeit nichts und Gewinn-Maximierung alles ist. Deshalb achte ich auch schon jetzt darauf, dass er Werte wie Individualität, Mitgefühl und Freundschaft als die erkennt, die ein erfüllteres Leben ausmachen."