Verengte Meinungsfreiheit
Von Rudolf Mitlöhner
Das Buch ist im Prinzip ein einziger großer Leitartikel zu den aktuellen politischen Entwicklungen dies- und jenseits des Atlantiks, die gemeinhin unter „Rechtsruck“ subsumiert und zur ultimativen Bedrohung von Demokratie und Rechtsstaat stilisiert werden.
Der deutsche Journalist und Publizist Ralf Schuler hält diesem vom medialen Mainstream verbreiteten Narrativ kenntnisreich und mit Verve seine Sicht der Dinge entgegen. Im Vorwort schlägt die Schriftstellerin Monika Maron (* 1941) – wie Schuler (* 1965) aus der DDR stammend – den entsprechenden Ton an: „Jedem, der sich darüber wundert, wie aus ihm plötzlich ein Rechter geworden ist, nachdem er sich sein Leben lang für links, liberal oder konservativ gehalten hat, sei Ralf Schulers Buch über den Populismus empfohlen.“ Lakonischer Zusatz: „Es wird ihn beruhigen.“
Es ist nicht so, dass Schuler den „Siegeszug der Populisten“ (so der Buchtitel) bejubeln würde – aber er versucht, ohne sich in moralische Pose zu werfen, die im Untertitel gestellte Frage zu beantworten, „warum die etablierten Parteien die Bürger verloren haben“. Natürlich gibt es darauf nicht die eine, einfache Antwort. Schuler kennt (insbesondere aber nicht nur) die deutsche Politik wie seine Westentasche und präsentiert eine Fülle an Beispielen, die alle seine Grundthese belegen sollen: die Entfremdung der politischen (und medialen) Protagonisten von der breiten Masse der Menschen.
Zustimmend zitiert Schuler etwa den FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki, der in der Welt schrieb: „Die derzeitige Stärke des rechten politischen Randes resultiert vor allem aus der Schwäche der politischen Mitte.“ Kubicki ortet eine „politische Repräsentationslücke“, weil die Politik „immer selbstreferenzieller geworden ist“.
„Hass und Hetze“
Schuler erinnert daran, dass sich „Populismus“ wie „Demokratie“ auf das „Volk“ (lat. populus, griech. demos) beziehen – weswegen es seltsam anmute, dass der eine Begriff absolut positiv, der andere eindeutig negativ konnotiert sei.
In vielen Analysen zum Phänomen der Populismus werden Themen wie Migration oder Inflation/Teuerung als zentrale Ursachen benannt. Oft übersehen wird aber, worauf der Autor mehrfach hinweist: die „Einheitsfronten tonangebender Eliten weit über den eigentlichen politischen Prägeraum hinaus“. Er nennt als Beispiel etwa „eine penetrante Vor-Augen-Führung eines Idealbildes einer ‚bunten‘ und diversen Gesellschaft“, aber auch die Instrumentalisierung von „Hass und Hetze“ als Kampfvokabel „zur Einschüchterung und Verengung von Meinungsfreiheit“. Dies sei, so Schuler völlig zurecht, „auch deswegen problematisch, weil völlig ungeklärt ist, wo Hass und Hetze beginnen und wo sie enden“.
Wie schon erwähnt, nimmt Schuler auch die eigene Zunft in die Pflicht. Mit subtiler Ironie beschreibt er seine Wahrnehmungen beim Bundespresseball, einem erlesenen Treffen der Medienbranche in Berlin: „An diesem Abend ist in diesem Saal das mediale ‚Wir‘ versammelt, das sich über das ‚Ihr‘ wundert, das man selbst erschafft.“
Alles in allem ein luzider Befund zur rechten Zeit – man kann sich der Empfehlung von Monika Maron nur anschließen.