Kultur

Rasant über den Horizont hinaus: Béla Flecks "My Bluegrass Heart" in Wien

„Es gibt zwei Arten von Bluegrass: Die traditionelle Form und die andere. Das hier ist die andere“. Als der Banjovirtuose Béla Fleck am Sonntag im großen Saal des Wiener Konzerthauses diesen Schmäh auftischte, war er schon durch rasante Stücke wie „Blue Mountain Hop“ und „Vertigo“ gerauscht, in denen sich virtuose Improvisationen mit konstant treibendem Groove verbanden. 

Seit den 1970er Jahren bereits zeigt Fleck auf, was in der genretypischen Besetzung möglich ist, die die Vaterfigur Bill Monroe um 1945 ins Erbgut der Country Music einschrieb: Mit der Mandolinistin Sierra Hull, dem Gitarristen Bryan Sutton, dem Fiddler Michael Cleveland und dem Bassisten Mark Schatz brachte er nun eine Gruppe nach Wien, die aktuell die Spitzenklasse auf ihren jeweiligen Instrumenten verkörpert. Zusätzlich war noch der Multiinstrumentalist Justin Moses dabei - an Banjo, Fiddle und Dobro, einer Slide-Resonatorgitarre, die der Urvater noch nicht im Line-Up haben wollte (Überliefert ist das Zitat: „That ain’t no part of nothin‘“).

Im Verlauf des gut zweieinhalbstündigen Konzerts, an dessen Ende die Band mit Standing Ovations frenetisch gefeiert wurde, widersprach sich Fleck letztendlich auch: Neben der Moderne war nämlich durchaus Platz für die Tradition (mit Songs wie Monroes „Dark as The Night“), für Ausflüge in die Weltmusik (das Stück „Psalm 136“ basierte auf ugandisch-jüdischen Gesängen) und für klassisches Konzertrepertoire: Flecks Arrangement von George Gershwins „Rhapsody in Blue“, erst kürzlich zum 100. Jahrestag der Erstaufführung am 12. 2. 1924 auf Tonträger veröffentlicht, wurde vor der Pause scheinbar mühelos dargeboten. Und damit war die Band noch lange nicht am Ende. 

Alle Inhalte anzeigen

Viele Bälle in der Luft

Die auch in Sachen Klangqualität vollendete Darbietung wurde damit mehr als die Feier des Virtuosentums an sich: Eher war es die unbändige Lust, multiple musikalische Ideen und Motive wie Bälle in der Luft zu halten, die die Kompositionen (von Fleck wie Gershwin) wie auch die Darbietung der Band auszeichnete.

Markant war dabei, dass alle Beteiligten glänzten, ohne dass eine einzelne Person im Vordergrund stand: Das Auf- und wieder Eintauchen in den Groove-Strom ist eines jener Kennzeichen, die Bluegrass auch mit Musiktraditionen verbindet, deren Ursprünge man eher in Afrika oder anderen Weltgegenden suchen würde. In diesem Sinn schürft der Bluegrass der Marke Fleck vielleicht sogar noch tiefer in der Tradition als das, was man sonst im Genre als „traditionell“ bezeichnet. Es war jedenfalls ein Konzert, das den Horizont erweiterte.