Kultur

Pop und Politik: Geschichte voller Missverständnisse

Die rechtskonservativen Republikaner rockten 2006 zu Van Halen: "Right Now" hieß die Nummer, die George W. Bush im Wahlkampf gerne spielen ließ. Übersetzt: "Jetzt", als Wortspiel auch: "Rechts, jetzt", das passt doch, dachte man sich.

Bis jemand darauf hinwies, dass im Video zum Song zu lesen ist: "Jetzt haben die Ölunternehmen und die alten Männer die Macht", was doch eher als Kritik an den Republikanern gedeutet werden muss. Und dass der Song vom Album "For Unlawful Carnal Knowledge" stammt, dessen Titel auf Sodomie anspielt (und der abgekürzt ein allzu bekanntes Schimpfwort ergibt).

Es ist, das weiß die Politik nicht erst seit Sinowatz, alles sehr kompliziert. Dass das auch für die Popmusik gilt, wird im Wahlkampf-Eifer aber gerne übersehen. Was den Gebrauch von Popmusik zu wahltechnischen Erbauungszwecken zur Geschichte ganz vieler Missverständnisse werden ließ.

Austria

Auch "I Am From Austria", jener Fendrich-Song, der nun offiziell die entscheidenden Tage des Wahlkampfs von Alexander Van der Bellen untermalt, ist ein wenig komplexer als wahrgenommen wird. Zwar geht es um Blut, Tränen, Alpen, Heimat und all das, was zuletzt die neue Rückbesinnung auf das Eigene, Lokale auszeichnete. Eine Zeile des Songs kommt, wenig überraschend, im Werbespot aber nicht vor: "I kenn die Leut, i kenn die Ratten, die Dummheit, die zum Himmel schreit", singt Fendrich – auch. Ein Satz, der vom Publikum, wie Fendrich dem KURIER einmal erzählte, "genauso laut wie alles andere" mitgesungen wird.

Der aber für den politischen Einsatz wenig nützlich erscheint – und letztlich zeigt, dass es, entgegen dem Glauben der Politiker, in der Popmusik keine Hymnen gibt. "Die Hymne, die es geworden ist, die habe nicht ich geschrieben", sagte Fendrich selbst in den 1990ern.

Damals wurde die anfangs wenig erfolgreiche Nummer zum Identifikationssong mit dem Land, die bei jeder Gelegenheit angestimmt wurde. Inzwischen ist "I Am From Austria", kein Zweifel, ein emotional hochbesetztes Lied, das die neue Bedeutung von Heimat vorweggenommen hat. Und auch – gegen den wütenden Protest Fendrichs – u.a. vom Österreich-Ableger der Pegida abgespielt wurde. "Man muss als Künstler akzeptieren, dass ein Lied nicht mehr dir gehört, sobald es auf einem Tonträger erscheint", sagte Fendrich zuletzt in News.

Und wohl auch, dass die Nuancen der Interpretation vor allem angesichts sloganartiger Textzeilen gerne verloren gehen. Prominentestes Beispiel dafür: Bruce Springsteens "Born in the U.S.A.", eine beinharte Abrechnung damit, was die Staaten in Kriegszeiten mit ihren Bürgern machen. Und dennoch bei allzu vielen Gelegenheiten, reduziert auf den patriotisch anmutenden Refrain, zu Politzwecken eingesetzt.

Misstöne

Springsteen wehrte sich – eine langwierige Angelegenheit – schon in den 1980ern Jahren gegen Ronald Reagan, zuletzt gegen Donald Trump (und spielte selbst für Hillary Clinton). Und das ist ebenfalls ein bekannter Soundtrack zu Wahlkampfzeiten: Musiker, die Parteien die Verwendung ihrer Lieder verbieten wollen.

Neil Young, R.E.M. und, nun ja, Everlast haben Donald Trump gerüffelt; die Rolling Stones und Aerosmith-Sänger Steven Tyler haben sogar die Anwälte bemüht.

Auch Adele, Rekordsängerin der vergangenen Jahre, beschwerte sich öffentlich über Trump (der hatte Adeles Fans ohnehin bereits gegen sich aufgebracht, indem er sich bei einem Adele-Konzert vordrängte).

Und auch die Witwe von Startenor Luciano Pavarotti hat Trump aufgefordert, nicht mehr Pavarottis Einspielung von "Nessun dorma" zu verwenden.

In Österreich kennt man derartige Konflikte zwischen Pop und Politik ebenfalls: Schlagerstar Helene Fischer wehrte sich 2012 gegen die Verwendung eines Songs durch die FPÖ. Zuletzt untersagte Hubert von Goisern der FPÖ-Hausband um John Otti das Abspielen seiner Songs (rechtliche Handhabe hat man eigentlich keine).

Soviel Politik wie zu Wahlkampfzeiten ist sonst nicht im Pop. Und eines ist gewiss: Die Geschichte derartiger Missverständnisse wird sich bei der nächsten Wahl fortsetzen.