Kultur

Sich nicht kleinkriegen lassen

Im Winterpalais des Prinzen Eugen in der Himmelpfortgasse von Wien erinnert Peter Noever an glorreiche Zeiten, als er das Museum für angewandte Kunst (MAK) leitete. Wie es dazu kam, ist eine längere Geschichte: Der Langzeitdirektor, 2011 zurückgetreten, wurde von Luciano Benetton mit dem Österreich-Beitrag zum Projekt "Imago Mundi" beauftragt.

Der italienische Textilwarenhersteller, der mit gewagten Werbesujets immer wieder für Aufregung sorgte, verfolgt seit einem Jahrzehnt eine Bestandsaufnahme der Gegenwartskunst: Sein Archiv, 2013 bei der Biennale Venedig präsentiert, umfasst bereits 50 Länder-Sammlungen mit 10.000 Werken. Benetton ist allerdings kein Mäzen, ganz im Gegenteil. Denn die Künstler bekommen eine Miniaturleinwand im Format 10 x 12 Zentimeter vorgegeben. Und sie haben ihre Werke zu schenken.

Noever findet die Vorgabe des Formats zwar "unzumutbar". Denn Kunst ließ sich zu keiner Zeit auf das Tafelbild reduzieren. Unzumutbar sollte es auch sein, für einen schwerreichen Mann gratis zu arbeiten. Im Endeffekt aber fand Noever den Ansatz des Archivs "utopisch", also ziemlich sehr gut.

Die Sache war daher doch zumutbar: Noever haute seine Lieblingskünstler an. Und er bat sie, ihm die (unbezahlte?) Kuratorentätigkeit abzunehmen. Denn sie durften weitere Künstler, Architekten und Designer nominieren. Insgesamt wurden 161 Mini- Kunstwerke abgeliefert. Darunter von Menschen, die kellnern müssen, weil sie von ihrer Kunst leider nicht leben können. Nur ein paar Künstler haben sich geweigert, den "Schnorrer" zu beliefern, darunter Erwin Wurm. Auch Arnulf Rainer – er bemisst seine Werke ja tatsächlich nach Quadratzentimetern – fehlt.

Alle Inhalte anzeigen
In der Sala terrena des Winterpalais sind die 161 Arbeiten bis 31. Mai ausgestellt: montiert auf Stangen (ähnlich aufgespießten Insekten) und alphabetisch in Reihen geordnet. Die Künstler haben sich wenigstens nicht kleinkriegen lassen: Mit allerlei Tricks sprengen sie das Format. Zudem ist das "Archive Austria" keine nationalstaatliche Nabelschau. Denn Noever lud auch die Künstler aus aller Welt ein, die er einst im MAK präsentierte, darunter Kiki Smith, Zaha Hadid und Vito Acconci. Um ihnen die Pflicht zu versüßen, initiierte er auch eine Kür: Noever brachte Agnes Husslein dazu, ihm das Winterpalais für ortsspezifische Installationen zu überlassen.

Temporäre Eroberung

Die Belvedere-Chefin, immer für die Konfrontation zeitgenössischer Kunst mit barocker Architektur zu haben, stellte für jede der 13 Positionen ein Produktionsbudget von 11.000 Euro zur Verfügung; Benetton soll die Schau "Vienna for Art’s Sake!", also "Wien der Kunst wegen!", in nicht genannter Höhe gesponsert haben.

So jämmerlich das Kunst-Minimundus, so grandios die "temporäre Eroberung der Prunksäle": Michael Kienzer reagiert auf den Prunk mit einer komplexen Aluminium-Skulptur, Hans Kupelwieser hat in den gelben Salon eine Fichtenholzhütte eingepasst ("Hütteldorf im Himmelpfort"), Iv Toshain hängte im Eingangszimmer einen bedrohlichen Morgenstern-artigen Globus auf. Und Magdalena Jetelová, die vor 22 Jahren eine gewaltige Sandpyramide ins MAK schaufelte, lässt im Saal mit den Schlachtenbildern (in Vogelperspektive) eine Überwachungsdrohne kreisen. Beeindruckend.

Impressionen