Kultur

Peter Gabriel: Meisterwerk nach 21 Jahren Funkstille

Peter Gabriel schiebt es auf sein Alter – und darauf, dass er viel nachdenkt.

21 Jahre hat der 73-Jährige gebraucht, um sein neues Studioalbum „i/o“ fertigzustellen. „Der Vorteil des Alters ist es, dass man gelernt hat, ,Nein’ zu sagen und ein bisschen mehr man selbst zu sein“, erklärte er der New York Times. „Ich wollte zu diesem Zeitpunkt meines Lebens auch ein bisschen leben, nicht nur professioneller Musiker sein. Ich habe weiterhin Musik gemacht, aber nichts fertiggestellt. Ich bin ein Denker. Ich hatte nie Probleme mit den musikalischen Ideen. Aber zu einem Punkt zu kommen, an dem ich mit den Texten zufrieden bin, ist viel schwerer geworden.“

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Die schwere Geburt ist den Texten von „i/o“ (Abkürzung für input/output) nicht anzumerken. Gabriel beschäftigt sich mit den Themen Leben und Tod, Vergänglichkeit, (Informations-)Technologie, religiöser Fundamentalismus und der Macht des Geldes, wobei in all dem sein (auch als Aktivist gelebter) humanistischer Ansatz allzeit deutlich wird.

Der Titel steht dafür, „zu erkennen, dass wir nicht diese isolierten Inseln sind, sondern zu einem großartigen Gitternetz allen Lebens gehören.“ Seit Jänner hat Gabriel, zu jedem Vollmond einen Song aus dem Album als Stream veröffentlicht, um diese Verbundenheit mit der Natur „zu ehren“.

Musikalisch ist „i/o“ typisch Peter Gabriel. Der Brite trennte sich 1975 von der Progressive-Rock-Band Genesis und hatte danach als Solo-Künstler Welthits wie „Sledgehammer“, „Solsbury Hill“ und „Don’t Give Up“.

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„i/o“ orientiert sich an diesen Sounds, mischt Einflüsse aus der Weltmusik mit Prog-Rock und eigentlich allem, was anspruchsvoller Pop braucht. Das fröhliche „Road To Joy“ hat Funk-Elemente und einen mitreißenden Refrain, genau wie das leicht mysteriöse „The Court“ und das tanzbare „This Is Home“.

Als „realistischer Optimist“ setzt Gabriel wie in „So Much“ den schwierigen Zeiten viele neue Gedanken fernab der gängigen Sprüche zum positiven Denken entgegen. Sie sind wertvoller, als die Songtitel vermuten lassen.

Auch die melancholischeren Momente sind einnehmend: „Four Kinds Of Horses“, „Love Can Heal“ „Playing For Time“ lassen die Gänsehaut kribbeln.

Abgerundet wird das berührende Hörvergnügen durch die komplexen Arrangements, in denen man bei jedem Mal Hören neue Details entdecken kann. Gabriel verwendet alles von Cello über Flöte bis zum üblichen Pop-Instrumentarium, aber alles so, dass sich seine ausgereifte Musikalität nie aufdrängt und nur Feeling und Aussage des Songs zählen. „i/o“ verwöhnt damit die Seele und den Geist gleichzeitig.