Kultur

Pedro Almodóvars mitreißendes Drama eröffnet das Filmfestival in Venedig

Venedig hat einen tollen Start hingelegt. Wer gefürchtet hat, das älteste Filmfestival der Welt würde, nur sechs Wochen nach dem verschobenen Filmfestival von Cannes, ausschließlich die Krümel des Weltkinos abbekommen, hat sich getäuscht.

Festivalchef Alberto Barbera ist es wieder einmal gelungen, eine prickelnde Mischung aus großen Hollywoodproduktionen und versiertem Arthouse-Kino unter seine Fittiche zu nehmen. Mit amerikanischen Prestigeproduktionen wie Denis Villeneuves Sci-Fi-Epos „Dune“ oder Jane Campions Netflix-Rachedrama „Power of the Dog“ mit Benedict Cumberbatch und Kirsten Dunst hat er heiße Trümpfe in seinem Programmärmel.

Zudem ist die Jury des heurigen Jahres mit zwei Oscarpreisträgern gespickt: Der treffliche Koreaner Bong Joon-ho („Parasite“) ist Jury-Präsident, die unvergleichliche Chloé Zhao ebenfalls im Team. Nicht umsonst begann deren Hit-Film „Nomadland“ seinen globalen Siegeszug letztes Jahr in Venedig und lieferte ein leuchtendes Beispiel dafür, warum Venedig von Hollywood als Startrampe für die Oscarsaison gilt.

Unter den Journalisten sind heuer wieder viele Amerikaner vertreten, die im letzten Jahr weitgehend ausgeblieben waren. Insgesamt wurden rund 50 Prozent mehr Menschen akkreditiert als noch 2020. Die Sicherheitsmaßnahmen aufgrund der Coronapandemie bleiben weiterhin verschärft: Wer nicht geimpft ist, muss sich regelmäßig testen lassen, an den Eingängen zum Festivalareal wird allen Besuchern die Temperatur gemessen. In den Kinos wird im Schachbrettmuster nur jeder zweite Platz besetzt: Kein Vergleich zu Cannes, wo die Menschen Wade an Wade in knallvollen Sälen saßen.

Und natürlich schreiten viele internationale Stars über den Lido. Zwar steht immer noch eine weiße Holzmauer vor dem roten Teppich, um die Bildung von gaffenden Menschenmassen zu verhindern. Trotzdem hat der Radiokollege aus Deutschland bereits J. Lo aus einem Wassertaxi steigen sehen – und sie ist sicher nicht alleine gekommen.

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Den Anfang der Starparade machte der spanische Paraderegisseur Pedro Almodóvar mit seiner strahlenden Hauptdarstellerin Penélope Cruz. Almodóvars neuer Film „Madres paralelas“ („Parallele Mütter“) eröffnete die 78. Filmfestspiele von Venedig – und auch diese Wahl ist Alberto Barbera hervorragend geglückt.

„Madres paralelas“ liefert formschöne, intelligente, und tief berührende Unterhaltung auf bestem Niveau. Dramatische, intime Beziehungskonstellationen verzahnen sich kongenial mit einem Rückgriff auf die Geschichte Spaniens und den Umgang mit Faschismus.

Affäre

Zwei Frauen – eine davon die umwerfende Penélope Cruz als Fotografin namens Janis – lernen sich im Spital während der Geburt ihrer Kinder kennen; mit ungeahnten Folgen.

Gerade noch hat man Janis beim leidenschaftlichen Affärensex gesehen, schon kämpft sie in der nächsten Szene schmerzverzerrt mit den Wehen: Almodóvar kann sich seinen kleinen Seitenhieb auf die Welt der Heteros nicht verkneifen und endet mit einem Plädoyer für eine Patchworkfamilie jenseits der Traditionen. Dazwischen entwickelt er eine mitreißende Geschichte über Mütter, Freundschaft und den Mut zum Blick in die Vergangenheit – in die eigene und in die der Nation. Ein Eröffnungsfilm, wie man ihn sich nur wünschen kann.