Kultur

Dreistündiger Triumphzug mit 16.000 tobenden Wienern

Ich glaube, das wird ein guter Abend!“ Schon nach dem dritten Song war sich Pearl-Jam-Frontmann Eddie Vedder sicher, dass das Konzert seiner Band in der restlos ausverkauften Wiener Stadthalle auch für ihn etwas zum Genießen wird.

16.000 Zuschauer waren das schon mit dem ersten Akkord. Und das obwohl da kein Vorprogramm war, um die Stimmung anzuheizen. Obwohl es eine recht nüchterne Bühne ist, Lampen und Scheinwerfer in allen Ritzen und Ecken zwischen Verstärkern und Stahlgerüsten, ein Vorhang mit dem Art-Work des jüngsten Albums. Aber keine LED-Wand, keine Aufbauten, Rampen und Stiegen. Nur zwei Bildschirme auf den Seiten, die das Bühnengeschehen auch für die Leute am obersten Rang sichtbar machen. Was bei anderen Bands längst Standard ist, brauchen Pearl Jam nicht.

Sie brauchen – zumindest in der Stadthalle – nur ein paar Akkorde vom Opener „Long Road“ und schon sind die Wiener entflammt, zu einem Massenchor zusammengeschweißt, bereit fortan zu hüpfen, zu klatschen, zu kreischen und zu schwitzen.

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Gut, die Voraussetzungen für ein umjubeltes Konzert sind ja auch sehr günstig: Es ist sieben Jahre her, dass Pearl Jam das letzte Mal in Österreich waren. Die Fans sind ausgehungert. Und um sich die Spielfreude zu erhalten, begrenzt die Band die Anzahl der Konzerte, die sie im Jahr spielt.

Außerdem ist der Sound der einstigen Grunge-Helden über die Jahre gewachsen, variantenreicher geworden. Es gibt fröhlich rockende Songs wie „Lightning Bolt“ vom jüngsten Album, den wütenden rasenden Punk von „Porch“, Gitarrensoli und Improvisationen, aber auch nachdenklich Getragenes wie „Wishlist“. Hymnen, die Vedders brillante Stimme und ihr unverwechselbares Timbre in den Vordergrund rücken.

Körperlich wirkt er ein bisschen weniger agil, als noch beim Nova Rock. Aber das gleicht er mit Hingabe an das Singen und der Lust zum Plaudern aus. Er erzählt – auch auf Deutsch – vom Gewitter am Nachmittag, von der Angst vorm schlechten Sound in der Stadthalle. Und er bittet die Wiener, „unserem Onkel Neil Young“ einen Gruß auszurichten, wenn der in einem Monat in die Stadthalle kommt.

Das ist die Überleitung zum fabelhaften Akustik-Teil ihn der ersten Zugabe, den Pearl Jam mit Youngs „The Needle And The Damage Done“ beginnen. Unglaublich: Der Blick auf die Uhr. Zwei Stunden sind sind sie jetzt schon auf der Bühne – die sich nicht einmal wie eine anfühlen.

Noch unglaublicher: Irgendwie scheint es jetzt erst richtig loszugehen. Vedder hat sich eine Flasche Wein mit auf die Bühne genommen, legt nochmal eine Stunde drauf. Auch den größten Hit „Alive“. Jene „Ich lass mich nicht unterkriegen“-Hymne, mit der Pearl Jam 1992 den positiveren Gegenpol zu Nirvanas No-Future-Haltung setzten.

Die verfehlt nie ihr Wirkung: 16.000 Wiener, die bei vollem Saallicht die Hände in die Höhe reißen, mitgrölen und sich so lebendig fühlen, wie schon Wochen – oder vielleicht sogar Monate – nicht mehr.

Fazit

Show Reduziert auf einen Vorhang mit einem Logo und Lampen in den Ecken zwischen Verstärkern und Stahlgerüsten. Eigentlich nicht vorhanden. Und bei der ungebrochenen Spielfreude der Band sogar bei einer Länge von drei Stunden auch absolut nicht notwendig.

Setlist Mit vielen Überraschungen wie den Cover-Versionen von „Rain“ von den Beatles und „Baba O’Riley“ von The Who. Nie langweilig – obwohl Klassiker wie „Jeremy“ und „Better Man“ fehlten. Die größten Highlights: „Alive“, „Even Flow“ und „Sirens“.

KURIER-Wertung: