Kultur

Bilder aus den Tabuzonen von Tokio

Entschuldigung, aber darf ich masturbieren, während ich dich anschaue?" Als Paweł Jaszczuk zum ersten Mal einen offenen Sex-Club in Tokio besuchte, überraschte ihn zunächst einmal die Höflichkeit, mit der die Menschen miteinander sprachen.

Der aus Polen stammende Fotograf hatte in Australien studiert, dort eine Japanerin kennen gelernt und war mit ihr in die japanische Millionenmetropole gezogen. Seinen Weg in die Subkultur jener Menschen, die durchinszenierte, schmerzhafte oder sonstwie extreme Sex-Erlebnisse suchen, hatte er aus Neugier gefunden, aber auch aus einem Interesse an der "visuellen Seite dieses Phänomens", wie Jaszczuk im Gespräch mit dem KURIER erläutert.

Bis 12.9.2015 zeigt Jaszcuk in der Leica Galerie Wien (Walfischgasse 1, 1010) eine Auswahl von Fotografien aus seiner Serie "Kinky City", die während drei Jahren, 2007 - 2009, entstand. Immer tiefer drang der Fotograf in dieser Zeit in die Szene vor, von so genannten "happenig bars" zu selbst-organisierten Partys und Fetisch-Klubs, in denen nur sechs Menschen Platz hatten.

Mädchen mit Manga-Masken

"Die Bilder sollten dir ein Gefühl der Atmosphäre geben, die an diesen Orten herrscht", sagt der Fotograf. Das Kriterium, "schöne" Bilder zu schaffen, die man auch bedenkenlos an die Wand hängen kann, habe ihn geleitet, einen voyeuristischen Blick wollte er vermeiden. Tatsächlich treffen die Fotos, in denen Gesichter oft verunklärt sind und Bewegungen verschwimmen, jene feine Balance zwischen Zeigen und Verbergen, die pornografischen Fotos fehlt. Dabei zeigen sie - neben Mädchen in Manga-Masken oder Dominas in Nazi-Uniformen - teils sehr drastische Praktiken, etwa wenn sich ein Mann mit Kanülen am Rücken durchbohren lässt oder eine Frau an der Gesichtshaut zusammengenäht wird.

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Kein Urteil

"Ich will keinesfalls über diese Leute urteilen", sagt Jaszczuk, der beim Fotografieren manchmal auch selbst an seine visuellen Belastungsgrenzen geführt wurde. Er betont auch, dass die von ihm gezeigten Praktiken keine rein japanische Eigenart seien - auch wenn Bondage-Fotos wie jene von Nobuyoshi Araki, die in einer Ausstellung in Warschau auch gemeinsam mit Jaszczuks "Kinky City" gezeigt wurden, dies nahelegen.

Eine Hypothese hat der Fotograf dennoch: Nämlich, dass die Grenzüberschreitungen im sexuellen Bereich auch eine Reaktion auf den enormen Stress seien, dem Menschen in Japans Gesellschaft ausgesetzt seien. Eine andere Serie des Fotografen, die in der Ausstellung auf einem Bildschirm läuft, zeigt honorige Menschen, die sich nach der Arbeit massiv betrunken hatten und auf der Straße eingeschlafen waren. Für den gesellschaftlich oktroyoierten Stress, der solche "Entlastung" nach sich zieht, hat Jaszczuk dann doch nur abschätzige Urteile übrig.