Kultur

"Sie war als Mensch ein Monstrum"

Nach Purkersdorf, Venedig, Lissabon, Hollywood, Wien, Jerusalem etc. ist Paulus Manker mit "Alma – A Show Biz ans Ende" am bisher ungewöhnlichsten Ort gelandet.

KURIER: Sie gastieren mit Ihrer Erfolgsproduktion ab 15. August erstmals in Wiener Neustadt, in den riesigen Roigk-Hallen. Wie kam es dazu?
Paulus Manker:
Wir hatten unsere Ausstattung schon seit einiger Zeit in einem Teil der Hallen gelagert. Ich wusste, dass das dem Kunstmäzen Christian Blazek gehört, der unter anderem auch das Schloss Wartholz besitzt. Als klar war, dass wir aus Wien von der dortigen Kulturpolitik vertrieben werden, bin ich einmal im Herbst, bei Nebel, auf diesem Gelände herumgestreunt und habe durch ein paar Löcher in die anderen Teile der Hallen geschaut und mir gedacht: Das wäre ideal für uns. Daraufhin hat mir Blazek gesagt, das gehöre ebenfalls ihm, und er wolle da schon lange etwas machen. Da habe ich sofort gesagt: Machen wir doch etwas gemeinsam.

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Mit Unterstützung des Landes Niederösterreich ...
Ja, Landeshauptmann Erwin Pröll hat erfahren, dass wir in Wien nicht mehr erwünscht sind und hat uns sofort nach Niederösterreich eingeladen. Er bezahlt erfreulicherweise genügend – in Wien müsste ich dafür eineinhalb Jahre antichambrieren und würde das Geld erst recht nicht bekommen.

Die Hallen sind historisch belastet: Hitler ließ sie errichten.
Es gab auf diesem Gelände schon im 19. Jahrhundert eine riesige Eisenbahnfabrik, die steht längst nicht mehr. Nachdem Hitler diese Halle in Serbien erobert hatte, ließ er sie 1942 mit 400 Eisenbahn-Waggons nach Wiener Neustadt transportieren und von politischen Zwangsarbeitern, die ans KZ Mauthausen angeschlossen waren, wieder aufbauen. Sie ist gigantisch groß, 300 Meter lang, 32 Meter hoch, 62 Meter breit und diente der Rüstungsindustrie. Die Raketen konnten sogar stehend produziert werden.

Wie kann es sein, dass sie im Krieg nicht zerstört wurde?
Wiener Neustadt hat 42.000 Einwohner und wurde im Krieg von 52.000 Bomben getroffen, eine unvorstellbare Verwüstung wie in Dresden. Auch diese Hallen wurden getroffen, sie sind aber so stabil, dass sie nicht zerstört werden konnten.

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Wie passt diese Geschichte der Hallen zu Alma Mahler?
Sie war als Mensch und als Charakter ein Monstrum mit einem Anspruch ans Gigantische. Alles war für sie überlebensgroß, also braucht es auch einen entsprechenden Raum. Wir werden bei der Aufführung mit einem Zug in die Halle fahren, das hat es noch nie gegeben. Bei Almas Leben geht es auch um Emigration, Flucht und Bedrohung. Sie hat in ihrem Leben zwei Juden geheiratet: Mahler, der dann konvertiert ist, und Werfel. Sie war aber leider – trotz des gehetzten Schicksals ihrer Männer – eine glühende Antisemitin. Außerdem ließ sich Kokoschka, nachdem sie sich von ihm getrennt hat, in Wiener Neustadt zum Dragoner ausbilden. Es passt also alles sehr gut zusammen.

Sie mussten die Hallen in monatelanger Arbeit freiräumen und adaptieren. Lohnt sich dieser Aufwand für 13 Vorstellungen?
Nein, für ein einjähriges Gastspiel lohnt sich das nicht. Aber wir haben schon inhaltliche Überlegungen für die kommenden Jahre. Diese sogenannte Serbenhalle wollen wir zumindest fünf Jahre, also bis zum Ende des 100-Jahr-Gedenkens an den Ersten Weltkrieg, bespielen.

"Alma" gibt es nun bereits 19 Jahre lang. Wie viele Aufführungen haben schon stattgefunden? Und werden Sie selbst wieder auftreten?
Die letzte Vorstellung in Wiener Neustadt wird die 470. Aufführung sein. Und natürlich spiele ich wieder den Kokoschka. Das gebe ich nicht mehr her.

"Alma" hat eine große Fangemeinde, die Ihnen nachreist. Woher kommen diesmal die Gäste?
Von überall. Viele aus Wien. Viele aus der Umgebung. Und viele aus Reichenau, wo man ja von gutem Theater nicht wirklich verwöhnt ist.

Wie beurteilen Sie die Theatersituation aktuell in Wien?
Sehr rückschrittlich. Die Theaterhauptstadt ist zurzeit München. Und ich bete jeden Tag zu Gott, dass Martin Kušej neuer Burgtheaterdirektor wird. Was er in München am Residenztheater macht, ist erstklassig. Sollte es nicht Kušej werden, hoffe ich auf Karin Baier. Oder auf Nicolas Stemann, falls er will. Bei Matthias Hartmann war die Hütte zwar voll, aber ich halte nichts von ausschließlicher Spaßkultur. Mir haben Tiefgang und Substanz gefehlt.

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Ihr Kommentar zum Burgtheater-Skandal?
Ich kann es mir nicht vorstellen, dass Ex-Geschäftsführerin Silvia Stantejsky auch nur die Spur eines Fleckens auf ihre weiße Weste geladen hat. Grundsätzlich war ich wie jeder andere überrascht, dass sich ein solcher Augiasstall auftut, dass es eine derartige Lawine von Versäumnissen und Blindheiten gibt.

Wie analysieren Sie derzeit die Wiener Kulturpolitik?
Etwas nicht Vorhandenes kann man nicht diskutieren, da gibt es nur Inaktivität und gähnende Leere. Die wichtigsten Aufgaben werden geschwänzt: Initiative, Innovation und Wertschätzung der Künstler.

Das Wiener Volkstheater, das einst von Ihrem Vater geleitet wurde, lag Ihnen immer besonders am Herzen. Wagen Sie eine Zukunftsprognose?
Die künftige Chefin Anna Badora ist eine sehr gute Intendantin , die Graz exzellent geführt hat. Man darf sich größte Hoffnungen für das Volkstheater machen. Anna Badora war auch verantwortlich für eine der wichtigsten Begegnungen meines Lebens: Sie hat mich für eine Rolle in "Baumeister Solness" von Ibsen vorgeschlagen – das war meine erste Zusammenarbeit mit Peter Zadek.

"Alma" in Wiener Neustadt: Premiere am 15. August

Das StückAlma – A Show Biz ans Ende“, ein Stück von Joshua Sobol, wurde 1996, initiiert von den Wiener Festwochen, im ehemaligen Sanatorium Purkersdorf uraufgeführt. Seither feierte Regisseur und Mastermind Paulus Manker damit Erfolge in vielen Ländern. Ab 15. August wird nun in Wiener Neustadt gespielt, in den sogenannten Roigkhallen. Manker selbst ist in der unter Hitler errichteten ehemaligen Rüstungshalle wieder als Kokoschka zu erleben.
Die Tickets Insgesamt sind vorerst 13 Aufführungen angesetzt. Der Kartenpreis beträgt 115 Euro und inkludiert ein warmes Pausenbuffet sowie Getränke. Infos auch zur Anreise unter www.alma-mahler.com