Kultur

Parov Stelar: "Reiner Retro ist zu wenig"

Jazz- oder Swingsamples aus den 20er- und 30er-Jahren, unterlegt mit elektronischen Beats, dazu ein Saxophon und eine Trompete – das sind die Zutaten für diese tanzbare Musik. Bereits vor zehn Jahren galt Parov Stelar als einer ihrer Pioniere. Rainer Trüby, deutscher Nu-Jazz-Produzent beschreibt den Sound, der den Linzer Produzent Marcus Füreder alias Parov Stelar weit über die Grenzen Österreichs hinaus bekannt machte, als "Minimal Jazz House".

Tatsächlich kommt Marcus Füreder ursprünglich aus dem Minimal-Techno-Bereich. "Ich habe damals zufällig einen Billy Holiday-Song geloopt und dazu eine Minimal-Platte laufen lassen.", beschreibt er die Anfänge von Parov Stelar im Gespräch mit KURIER.at. Auf das Debütalbum "Rough Cuts" aus dem Jahr 2001 folgten ausverkaufte Auftritte in Mexiko City und Istanbul, die Gründung seines eigenen Labels "Etage Noir", und jetzt das Doppelalbum "The Princess", das am 20. April erscheint.

Neue Töne und Altbekanntes auf "The Princess"

Auch wenn die Retro-Welle mittlerweile wieder am Abflauen ist, erfreut sich der Elektroswing wachsender Beliebtheit. Davon zeugen nicht zuletzt die zahlreichen Compilations. Auf über 600 dieser Sammlungen sind Tracks von Parov Stelar erschienen. "Es ist zwar schön zu sehen, dass etwas, das man selbst miterschaffen hat, dann so erfolgreich wird. Bei diesen Hypes bin ich aber immer skeptisch. Teilweise wird sehr lieblos und uninspiriert produziert, weil es trendig ist einen Swing-Loop zu nehmen und einen 4/4 Takt darunter zu legen. Nur dieses Retro-Ding wäre mir zu wenig, da habe ich selbst auch schon ein wenig die Schnauze voll.", zeigt sich der Produzent selbstkritisch.

Zumindest mit CD 1 des Doppelalbums beschreitet Parov Stelar deshalb neue Wege und verzichtet auf die von früheren Alben gewohnten Swing-Elemente. "Ich würde es sehr langweilig finden, immer nur in diese eine Richtung zu gehen." Und tatsächlich: Mit seinem Potpourri aus soulig-gospeligen Vocals, gefühlvollen Pianos, lauten Trompeten und elektrischen Bässen hat Parov Stelar einen wiedererkennbaren Sound geschaffen, den er auch ohne Swing-Chic verfeinert. Auf CD 2 besinnt sich Füreder aber wieder seiner Wurzeln und mischt alte Samples gekonnt mit Elektro. "CD 2 ist dem Liveauftritt gewidmet. Das sind Tracks, die nach vorne gehen, Party machen."

Weltberühmt - aber nicht in Österreich

Der Erfolg Parov Stelars in Österreich steht in keinem Verhältnis zu seiner Bekanntheit im Ausland. Sein Tourplan führt den Linzer durch ganz Europa, besonders im Osten ist Parov Stelar eine richtig große Nummer. Das 2009 erschienene Album "Coco" erreichte Platz 3 der griechischen Charts, die Single "Booty Swing" schaffte es sogar auf Platz 2 der US-amerikanischen Elektronikcharts. In Bukarest spielte Parov Stelar - nach eigenen Angaben - vor 45.000 Menschen, zu seinem Konzert in der Wiener Rinderhalle kamen vergangenes Jahr knapp 4.000 Besucher.

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Warum Parov Stelar ausgerechnet in Osteuropa seine ersten Erfolge feierte, kann er sich selbst nicht genau erklären. "Vielleicht hängt es aber damit zusammen, dass die Medien dort anders funktionieren. Die Menschen sind viel stärker im Internet vernetzt, dafür sind die Printmedien nicht so stark. Außerdem spielen die Radiostationen auch Musik von unbekannteren Künstlern."

Apropos Internet: Genau dort wird der internationale Erfolg Parov Stelars nämlich am deutlichsten. Im Social-Media-Ranking Österreichs, das Facebookfans, Twitterfollower und deren Interaktionen auswertet, liegt er als bester Musiker auf Platz 8, mitten unter Marken wie Red Bull, Swarowski und Ö3. Dazu kommen fast 300.000 Facebook-Fans und 14.5 Millionen abgespielter Tracks auf last.fm: In der Österreicherwertung muss sich Parov Stelar da nur Mozart geschlagen geben. Und das ist nun wirklich keine Schande.

"Illegale Downloads sind repektlos."

Trotz des enormen Zuspruchs, den Parov Stelar durch das Internet erfährt, empfindet er das neue Zeitalter eher als Fluch, denn als Segen für die Musikindustrie. "Wir löschen wöchentlich 150 Links, wo man sich unsere komplette Diskographie runterladen kann. Das ist eine gewisse Form von Respektlosigkeit. Ich finde es schade, dass eine Generation heranwächst, die glaubt Musik wäre gratis und dabei vergisst, dass dahinter auch Menschen stecken, die hart dafür arbeiten". Marcus Füreder sieht in dieser Entwicklung weitreichende Konsequenzen: "Zwar kann jeder seine eigenen Songs hochladen, aber niemand kann es sich mehr leisten Vollzeitmusiker zu sein. Wenn ich einen Acht-Stunden Job machen muss, dann kann ich mich nicht mehr so lange mit meiner Musik beschäftigen und die Qualität wird langfristig sinken." Natürlich gebe es auch Vorteile, vor allem für etablierte Künstler, weil "ich meine Fanbase viel leichter betreuen kann, sei das nun über Facebook oder die eigene Homepage".

Diese Betreuung übernimmt bei Parov Stelar sein 2003 gegründetes Label "Etage Noir". Dabei wäre er anfangs liebend gerne bei einem Major-Label unter Vertrag gewesen. "‘Etage Noir‘ ist aus einer Notsituation heraus entstanden. Weil einfach keiner meine Musik spielen wollte. Am Anfang konnte noch keiner wissen, wo sich das hin entwickelt." Mittlerweile hat das kleine Label mit fünf Angestellten auch österreichische Nachwuchsbands wie das "AG Trio" und zahlreiche andere Musiker unter Vertrag.

Happy End

Dieses Jahr ist Parov Stelar bei den "Amadeus Austrian Music Awards" als bester Electronic / Dance-Act nominiert. Im Gespräch sagte Marcus Füreder auf seinen mangelnden Erfolg in Österreich angesprochen, fast resignierend: "Vor einigen Jahren habe ich mich noch geärgert und gefragt, wieso das so ist. Inzwischen sehe ich das relaxter". Vielleicht erobert Parov Stelar mit seinem 5. Album ja doch noch die österreichischen Herzen. Wer in Österreich etwas gelten will, muss es wohl zuerst im Ausland schaffen. Austropopper und Skifahrer scheinen die einzigen Ausnahmen zu sein.

Eine Regel im Leben, an die ich mich halte:
Alles ist erlaubt, solange niemand darunter leidet.

Zwei Entscheidungen, die ich bereue:
Meine Vespa 125 verkauft zu haben - meinen Opa eine wichtige Frage nicht gefragt zu haben...

Drei Sachen an die ich glaube:
Gerechtigkeit, dass sich Qualität durchsetzt und Männerfreundschaft

Vier Dinge, für die es sich zu leben lohnt:
Lilja Bloom, meinen Sohn, meine Band und gutes Essen.

Fünf Dinge, die man über uns wissen sollte:
Bier sollte nie ausgehn, bitte Tanzschuhe einpacken, wir sind Österreicher, We are Family und wir wohnen im Tourbus.