Kultur/Oscar

"Birdman" ist der Gewinner der Oscarnacht

Die Hollywood-Satire "Birdman" holte zum Abschluss der 87. Oscar-Verleihung in Los Angeles die Königskategorie und wurde in der Nacht auf Montag als bester Film ausgezeichnet. Der Film von Regisseur Alejandro González Iñárritu hat damit insgesamt vier Trophäen bei der Gala im Dolby Theatre für sich reklamieren können. Zuvor gingen bereits die Auszeichnungen für Besten Regisseur, Bestes Originaldrehbuch und Beste Kamera an "Birdman". Wes Andersons Komödie "The Grand Budapest Hotel", mit neun Nominierungen ebenso als Favorit gehandelt, konnte zwar ebenso vier Trophäen gewinnen, nicht aber in den prestigeträchtigsten Kategorien.

Noch klarer setzte sich "Birdman" gegen das Zwölf-Jahres-Projekt "Boyhood" von Richard Linklater durch. Lediglich Patricia Arquette konnte als beste Nebendarstellerin eine der sechs Nominierungen des Films in einen Oscar ummünzen. Als bester Nebendarsteller reüssierte J.K. Simmons mit seiner Rolle als sadistischer Jazzlehrer in "Whiplash". Das Musikerdrama von Damien Chazelle wurde insgesamt mit drei Trophäen gewürdigt.

Bei den Hauptdarstellern konnten sich Julianne Moore ("Still Alice") und Eddie Redmayne ("The Theory Of Everything") durchsetzen. Für Moore war es im fünften Anlauf der erste Oscar ihrer Karriere.

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Der große Sieger des Abends heißt – wie erwartet – „Birdman“. Die vier Oscars in den Hauptkategorien sprechen für sich und bezeugen die Faszination der Academy für Alejandro González Iñárritus Superhelden-Tragikomödie. Ein Film über das Film- und Theaterbusiness gefällt den Menschen, die im Film- und Theaterbusiness beschäftigt sind – und Hollywoods Hollywood-Zentrismus ist ohnehin legendär. Umso erstaunlicher, dass Michael Keaton nicht den Preis für den Besten Hauptdarsteller zugesprochen bekam – damit war fast fix zu rechnen gewesen. Doch offensichtlich ist die amerikanische Ehrfurcht vor einem britischen Prestige-Film wie "The Theory Of Everything" und seinem exzellentem Darsteller Eddie Redmayne doch größer als die weitere Nabelschau eines Hollywood-Stars. Der junge Brite brillierte zwar als Physikergenie Stephen Hawking, und dennoch ist es in diesem Fall eigentlich schade: Keaton hätte sich den Preis mehr als verdient.

Auch der vielbeschworene „Indie-Filmgeist“, der durch die Preisverleihung schwebte, manifestierte sich in der Anerkennung einer vergleichsweise Kleinst-Produktion wie Damien Chazelles „Whiplash“: Das 3,3 Millionen-Dollar-Filmchen (wie man fast schon sagen muss), erhielt immerhin gezählte drei Oscars, darunter den für den Besten Nebendarsteller, J. K. Simmons.

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Dass Richard Linklaters „Boyhood“ - ein weiterer Garant für das "Indie-Feeling" des Abends - nur auf einen Oscar für die Beste Nebendarstellerin (völlig verdient: Patricia Arquette) kam, ist traurig. Ein Oscar für Beste Regie wäre für seine Leistung, eine "Film-Familie" über zwölf Jahre lang zu begleiten, mehr als verdient gewesen. Dafür wurde Wes Andersons schräges Autorenkino „Grand Budapest Hotel“ mit immerhin vier Oscars belohnt.

Schon im Vorfeld war die diesjährige Oscar-Verleihung massiv für ihren „Whitewash“ sprich: der Mangel an Nominierungen für schwarze Künstler war kritisiert worden. Als wollten sie sich gegen diesen Vorwurf wehren, versammelten die Oscar-Veranstalter viele schwarze Entertainer auf der Bühne – am meisten bei der Performance des Oscar-Songs „Glory“ aus dem Film „Selma“. Der innige Gesang veranlasste den für keinen Oscar nominierten Schauspieler David Oyelowo aus „Selma“ in Schluchzen auszubrechen.

Aber auch Frauen tummelten sich kaum unter den Gewinnern auf der Bühne. Bezeichnend, dass die besten Frauen nicht in den besten Filmen zu sehen waren (abgesehen von Patricia Arquettes Nominierung für "Boyhood"). So verdankte "Still Alice" seine einzige Oscar-Nominierung der wunderbaren Julianne Moore, die für ihre Rolle als Alzheimerkranke Universitätsprofessorin auch als Beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet wurde.

Ansonsten fiel den Frauen zumeist die Aufgabe zu, ihre Männer zu küssen und zu umarmen, bevor diese das Podium erklommen und zur Dankesrede für den Oscar ansetzten („Ich danke meiner Frau für ihre Geduld…“)

Da war Patricia Arquettes Dankesrede, die gerechtere Gehälter und mehr Gleichheit für Frauen forderte, eine mehr als notwendige Ansage.

Kategorie

Bester Film

"Birdman"

Regie: Alejandro Gonzalez Inarritu

Regie

Alejandro Gonzalez Inarritu

"Birdman"

Hauptdarsteller

Eddie Redmayne

"Die Entdeckung der Unendlichkeit"

Hauptdarstellerin

Julianne Moore

"Still Alice"

Nebendarstellerin

Patricia Arquette

"Boyhood"

Nebendarsteller

J.K. Simmons

"Whiplash"

Fremdsprachiger Film

"Ida"

Polen; Regie: Pawel Pawlikowski

Kamera

Emmanuel Lubezki

"Birdman"

Originaldrehbuch

Alejandro G. Inarritu, Nicolas Giacobone, Alexander Dinelaris Jr., Armando Bo

"Birdman"

Adaptiertes Drehbuch

Graham Moore

"The Imitation Game - Ein streng geheimes Leben"

Schnitt

Tom Cross

"Whiplash"

Filmmusik

Alexandre Desplat

"Grand Budapest Hotel"

Filmsong

"Glory"

aus "Selma", von John Stephens (John Legend), Lonnie Lynn (Common)

Produktionsdesign

Adam Stockhausen, Anna Pinnock

"Grand Budapest Hotel"

Tonschnitt

Alan Robert Murray, Bub Asman

"American Sniper"

Tonmischung

Craig Mann, Ben Wilkins, Thomas Curley

"Whiplash"

Spezialeffekte

Paul Franklin, Andrew Lockley, Ian Hunter, Scott Fisher

"Interstellar"

Animationsfilm

"Big Hero 6" ("Baymax - Riesiges Robowabohu")

Regie: Don Hall, Chris Williams

Animations-Kurzfilm

"Feast"

Regie: Patrick Osborne

Dokumentarfilm

"Citizenfour"

Regie: Laura Poitras

Dokumentar-Kurzfilm

"Crisis Hotline: Veterans Press 1"

Regie: Ellen Goosenberg Kent

Make-up/Frisur

Frances Hannon, Mark Coulier

"Grand Budapest Hotel"

Kostümdesign

Milena Canonero

"Grand Budapest Hotel"

Kurzfilm

"The Phone Call"

Regie: Mat Kirkby

Filmtitel

Oscar-Gewinne

Oscar-Nominierungen

"Birdman"

4

9

"The Grand Budapest Hotel"

4

9

"Whiplash"

3

5

"The Imitation Game" (The Imitation Game - Ein streng geheimes Leben)

1

8

"American Sniper"

1

6

"Boyhood"

1

6

"Interstellar"

1

5

"The Theory of Everything" (Die Entdeckung der Unendlichkeit)

1

5

"Ida"

1

2

"Selma"

1

2

"Baymax - Riesiges Robowabohu" (Big Hero 6)

1

1

"Citizenfour"

1

1

"Crisis Hotline: Veterans Press 1"

1

1

"Feast"

1

1

"The Phone Call"

1

1

"Still Alice "

1

1

Ellen DeGeneres legte die Latte im Vorjahr als Oscar-Präsentatorin hoch: Mit ihrer Pizzabestellung und dem Rekord-Selfie sorgte sie tagelang für Aufsehen in den sozialen Medien. Neil Patrick Harris zeigte sich bei der 87. Oscar-Verleihung hingegen etwas verhalten.

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Der Fernsehstar mit Musicalerfahrung startete mit einer Gesangseinlage und besang "Moving Pictures", also bewegende Filme der älteren und jüngeren Geschichte. Für Lacher sorgte weniger Harris selbst, sondern eher sein Schattenriss, der auf der Mega-Leinwand hinter ihm ein Eigenleben entwickelte. So verdeckte der Schatten etwa den Schritt von Sharon Stone in der berühmten "Basic Instinct"-Verhörszene.

Beim Schwenk auf Benedict Cumberbatch sah man den Briten an einem Flachmann nippen, noch überraschender dann die Aktion von Jack Black. Der Schauspieler stand plötzlich auf, und bereitete dem Schwelgen in Hollywood-Romantik ein abruptes Ende. In einer Tirade sang er gegen die Blockbuster- und Fortsetzungs-Maschinerie an, deutete dann ein Selfie an, bevor Harris dann wieder übernahm und die Showeinlage brav zu Ende brachte.

Hier finden Sie unser Special zur Oscar-Verleihung 2015

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Allzu schaumgebremst waren dann auch die weiteren Gags des "How I Met Your Mother"-Stars. Als er ein paar Platzhalter im Publikum ansprach, sogenannte "Seat-Filler", wenn die echten Stars anderswo zu tun haben, war dies noch der Höhepunkt. Mit Steve Carrell, den er bewusst mit einem Platzhalter verwechselte, hätte es sich trefflich scherzen lassen. Harris ließ diese Chance aber aus und versuchte mit gespielter Aufgeregtheit zu punkten.

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In weiterer Folge wirkte sogar die Gesangseinlage "Everything is awesome" aus dem "LEGO Movie" inspirierter als die Witze des Präsentators.

Ein kurzweiliger Höhepunkt gelang dann zur Mitte der Show mit einer (Beinahe-)Nacktszene. Als Parodie auf "Birdman" klemmte Harris hinter der Bühne seinen Bademantel in einer Tür ein und musste, nur mit einer Feinripp-Unterhose bekleidet, zurück zur Bühne zu seinem nächsten Auftritt schreiten. Nach einigen Autogrammen ging er an Miles Teller aus "Whiplash" vorbei, der gerade ein Schlagzeug-Solo spielte. Harris drehte sich um, und schrie: "Das ist nicht mein Tempo!" Da erinnerte Harris nicht nur an den sadistischen Schlagzeuglehrer aus dem Musikderdrama, sondern auch an seine Paraderolle des Barney Stinson.

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Die nächste Kategorie sagte Harris dann in Unterhose und Socken an. Als die Snowden-Doku "Citizenfour" ausgezeichnet wurde, kommentierte Harris trocken: "Leider kann Edward Snowden heute nicht bei uns sein, er hat anderes zu tun", witzelte er über den in Moskau im Exil sitzenden NSA-Whistleblower.

Letztlich setzte er als Präsentator keine neuen Maßstäbe und war weitgehend mit angezogener Handbremse unterwegs. Insgesamt war es eine Oscar-Gala, die mehr auf Gefühle als auf Komik setzte.