Kultur/Oscar

Zuerst der Bauch, dann der Rest

Nach seinen sensationellen Erfolgen mit "The Fighter" und "Silver Linings" wurde David O. Russell nun für "American Hustle" für zehn Oscars nominiert. Derzeit zählt er zu den einflussreichsten Regisseuren Hollywoods.

KURIER: Ursprünglich hätte Ihr Film "American Bullshit" heißen sollen. Warum die Änderung?

David O. Russell: Das hat sich ergeben hat. Ich mache keine zynischen Filme, denn ich liebe meine Figuren. Sie sind wie im Leben: Wir versuchen auch oft, jemand anderer zu sein. So auch hier: Die Menschen müssen sich entscheiden, wer sie sein und wie sie aussehen wollen. Sie müssen sich entwerfen – und manchmal den Entwurf ändern. Das trägt fast ein Brecht’sches Element in sich.

Was verbinden Sie mit den 70er-Jahren?

Ich glaube, das war eine vergleichsweise naivere Zeit als heute. Ich komme aus einer Mittelschichtsfamilie. Meine Eltern waren formeller, sie zogen sich eleganter an, pflegten ein stärkeres Ehrgefühl. Die Leute waren unschuldiger, sogar ihre Verbrechen. Was mich an meinen Figuren interessiert, ist die Leidenschaft, die sie für etwas empfinden. Selbst die, die Schmiergelder nehmen, wollen damit auch Arbeitsplätze beschaffen. Sie sind also nicht nur böse. Die wenigsten Menschen handeln aus Zynismus – und wenn doch, interessiert es mich nicht.

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Christian Bale nahm für seine Rolle in "Fighter" stark ab, für "American Hustle" hingegen musste er viel Bauch zulegen ...

Mir gefällt es, wenn jemand ein bisschen Fleisch auf den Rippen hat. Jennifer Lawrence beispielsweise ruft mich an und fragt, ob sie für ihre Rolle fünf Kilo mehr haben darf – einfach, weil sie gerade fünf Kilo mehr wiegt. Für mich ist das völlig okay. Was Christian Bale betrifft, so sieht er der echten Person, auf der seine Rolle beruht, ziemlich ähnlich. Ich liebe es, mit dem Publikum die Eröffnungsszene anzusehen, wo zuerst einmal sein Bauch ins Bild kommt. Die Leute stöhnen auf, doch zwanzig Minuten später denken sie nicht mehr daran. Das gefällt mir so am Geschichten erzählen. Außerdem ist es mein Ehrgeiz, jeden Schauspieler so zu zeigen, wie man ihn davor noch nie gesehen hat. Das ist riskant – auch für die Schauspieler. Aber das ist es wert.

Sie sind für zehn Oscars nominiert. Haben Sie das erwartet?

So etwas kann man nie erwarten. Oscars sind sehr rätselhaft. Die besten Leistungen werden oft nicht einmal nominiert – denken Sie nur an Gene Hackman in "The Royal Tenenbaums". Aber wenn man doch nominiert wird, ist es wundervoll.