Kultur

Oscar-Favorit del Toro: "Verliebt in Monster"

Guillermo del Toros neue Unterwasser-Fantasy "Shape of Water – Das Flüstern des Wassers" (Kinostart: Freitag) ist der Film der Stunde. Alle können sich auf ihn einigen. Überall führt er die Liste der Begeisterung an und gilt mit dreizehn Nominierungen als Oscar-Favorit.

Schon längst ist Del Toro kein cinephiler Geheimtipp mehr. Gemeinsam mit Alejandro González Iñárritu und Alfonso Cuarón gehört er zu den drei mexikanischen Star-Regisseuren in Hollywood.

Spezialist für Vielfalt

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Spezialisiert auf Horror und Fantasy, begeisterte er ein globales Publikum mit so unterschiedlichen Filmen wie dem rot-gehörnten Superhero "Hellboy" (2004), dem Franco-Faschismus-Märchendrama "Pans Labyrinth" (2006) und der Roboter-Action "Pacific Rim" (2013). "Ich kann in jedem Format meine Filme drehen, solange ich meine eigenen Geschichten erzähle", sagt der 53-jährige Regisseur über sich selbst: "Manchmal mache ich einen Film für eine Million Dollar, manchmal für 195 Millionen Dollar – aber ich wechsle ab. Sonst werde ich süchtig."

"The Shape of Water" kostete moderate 20 Millionen Dollar und erzählt die Geschichte einer stummen Frau (Sally Hawkins), die während des Kalten Krieges in einem Hochsicherheitslabor der US-Regierung arbeitet. Dort wird ein geheimnisvolles Fischwesen gefangen gehalten und vom Laborleiter (Michael Shannon) brutal malträtiert.

Guillermo del Toro untersetzt seine ungewöhnliche Liebesgeschichte zwischen Frau und Fischmann mit Noir-Thriller-Elementen und macht sie zur akuten Polit-Parabel.

KURIER:Ihr Film spielt im Jahr 1962 während des Kalten Krieges. Warum gerade zu diesem Zeitpunkt?

Guillermo del Toro:Der Film spielt 1962, aber eigentlich handelt er von heute. 1962 ist ein wichtiges Jahr, denn wenn die Amerikaner heute von "Make America Great Again" reden, dann träumen sie meiner Ansicht nach genau von dieser Zeit. 1962 ist der Moment, in dem die Wirtschaft boomt und die Amerikaner an die Zukunft glauben. Alles drehte sich um die Zukunft: Der Wettlauf ins All beginnt, die Haushalte sind modern. Es war das Zeitalter von "Die Jetsons". Im Weißen Haus regiert John F. Kennedy. Die frühen 60er-Jahre sind der goldene Moment in der amerikanischen Geschichte. Dann wird Kennedy ermordet und die Desillusionierung setzt ein. Ich glaube, das war der letzte Moment, in dem die Amerikaner an ihren Traum glaubten, der sich niemals wirklich erfüllte. Außerdem halte ich es für wichtig, die Probleme zu zeigen, die es 1962 gab und die es bis heute gibt – Rassismus und Sexismus.

Trump hat heute wohl einen ganz anderen Traum.

Mein Film ist das Gegenteil von unserer Gegenwart. Heute leben wir in einer Zeit voller Hass und Segregation. Aber ich glaube an die Möglichkeiten des Humanismus. Mein Film dreht auch die Konventionen des Horrorfilms und des Noir-Thrillers um: Normalerweise ist das Monster, das die junge Frau weg trägt, eine Horror-Bild, doch bei mir ist es von großer Schönheit. Auch der arrogante, hartgesottene Sicherheitschef, gespielt von Michael Shannon, wäre in den 50er-Jahren der Held der Geschichte gewesen. Mein Film nähert sich dem Horrorfilm mit einen märchenhaften Ansatz. Und ich finde Märchen generell sehr politisch.

Das Monster – der Amphibien-Mann – kommt nicht aus dem Weltall oder aus dem wissenschaftlichen Labor, sondern aus dem Wasser. Warum war Ihnen das Wasser für die Geschichte wichtig?

Bruce Lee hat es einmal sehr schön formuliert: "Wasser ist das stärkste Element – weil es keine bestimmte Form hat." Es nimmt immer die Form an, die man ihm gibt: Wenn Sie es in ein Glas gießen, dann hat es die Form eines Glases, wenn Sie es in eine Flasche gießen, dann die Form der Flasche ab. Wasser ist weich und anschmiegsam, aber es kann auch Felsen zerschmettern. Mit der Liebe ist es das Gleiche: Liebe nimmt die Gestalt jener Person an, in die man sie hinein gießt. Ich wollte die Liebesgeschichte zwischen zwei völlig unterschiedlichen Kreaturen zeigen. Wenn man sich verliebt, dann spielt Ideologie keine Rolle mehr. Egal, ob die Person eine andere Religion, eine andere Hautfarbe hat oder vom gleichen Geschlecht ist: Liebe braucht keine Erlaubnis. Wenn man sich verliebt, spielt das alles keine Rolle mehr. Ich hätte meinen Film auch genauso gut "The Shape of Love" nennen können.

Tatsächlich ist bei Ihnen Wasser stark mit Erotik verbunden.

Ja, das Wasser hat sinnliche Qualitäten, und darum beginne ich den Film auch damit, dass die Heldin in der Badewanne masturbiert. Ich wollte keinen Disney-Film wie "Die Schöne und das Biest" machen, wo alles ganz puritanisch abläuft und niemand Sex hat. Ich bin Mexikaner! Alles geht – und warum auch nicht? Die Frau und der Fischmann verlieben sich und schlafen miteinander. Das hat nichts mit Perversion oder Subversion zu tun, sondern ist einfach nur schön.

Was hat Sie denn zu dem "Design" der Unterwasser-Kreatur inspiriert?

Der größte Einfluss kommt von einer japanischen Gravur, die einen schwarzen Karpfen mit goldenen, weißen und blauen Streifen zeigt. Es sollte eine Mischung aus Salamander und Schwimmer werden, mit dem Hintern eines Stierkämpfers: Der Amphibien-Mann sollte wie ein sexy Fisch aussehen, attraktiv zum Anschauen.

Sie selbst gelten ja als großer Monster-Fan, schon von Kindesbeinen an. Stimmt das?

Oh ja! Ich habe mich bereits als Kind in die Schwarz-weiß-Monster aus den Universal Studios (Horrorfilme, die zwischen den 1920er- und ’50er-Jahren entstanden sind, Anm.) verliebt. Die hatten einen ganz bestimmten Geschmack für mich. Ich erinnere mich noch, wie ich an einem Sonntag mit einem Kübel voll Hühnerflügel vor dem Fernseher saß und erstmals den Originalfilm "King Kong" sah. Ich musste zu essen aufhören, so unglaublich toll fand ich ihn. Seit ich ein Kind bin, bin ich in Monster verliebt – und das ist bis heute so geblieben.