"Only God Forgives": Neuer Film vom "Drive"-Duo Gosling und Winding Refn
Von Alexandra Seibel
Ryan Gosling ist nicht nach Cannes gekommen. Nicolas Winding Refn musste alleine seinen neuesten Samurai-Streich „Only God Forgives“ an der Croisette präsentieren – um nicht zu sagen, verteidigen. Dabei erfreut sich der dänische „Drive“-Regisseur einer begeisterten Anhängerschaft, die sich aber am Ende der Presse-Vorstellung nicht ganz durchsetzen konnte. Laute Buhrufe waren nicht zu überhören. Vielen erschien die ultra-brutale Blutorgie als hohle Stilübung. Dröhnende (Orgel-)musik und wummernde Bässe untermalten Slow-Motion-Faustkämpfe und Samurai-Schwert-Schwingerei. Die Lautsprecher schepperten, was das Zeug hielt. Und nach dem flambierten Penis in Amat Escalantes „Heli“, gab es in „Only God Forgives“ sicher die zweiteinfallsreichsten Sadismus-Szenen des heurigen Festivals zu sehen. Zum Beispiel jene, wo der, der sich für Gott hält, seinem Opfer zuerst spitze Nadeln in Arme und Oberschenkel sticht, ihm dann mit einem Messer beide Augäpfel aushebelt („Du wolltest nicht sehen“) und zuletzt das Trommelfell durchbohrt („Du wolltest nicht hören.“).
Ein herrlicher Anblick, besonders am frühen Morgen
Überhaupt entspricht die gute Frau nicht unbedingt jenem Bild, dass man landläufig so von Müttern hat: Beim Abendessen mit Julian und seiner Begleitern etwa diskutiert sie ausführlich, welcher ihrer beider Söhne den größeren Penis hatte. („Julians ist groß. Aber im Vergleich zu Billys....“)
Albtaumhaftes Schattenreich
Vielleicht hätte sie das mit dem Penis doch nicht sagen sollen.
Doch nicht die Gewalt ist das Problem in „Only God Forgives“. Vielmehr bleibt Refns Versuch der metaphysischen Überhöhung in der Pose stecken. Die schweigsamen Männer, ihre bedeutungsvollen Blickduelle, ihre Gewaltexzesse in Zeitlupe – und das alles zu einem Soundgedröhne zwischen Thai-Pop und Wagner: Das alles wirkt manchmal zwar effektvoll, oft aber auch in seiner Forciertheit geradezu albern.
Damit geht Cannes mit einer Enttäuschung Richtung Finale. Der Wettbewerb bislang bot zwar immer wieder durchwegs gutes und interessantes Kino. Gerade die Coens mit „Inside Llewyn Davis“ lieferten einen herausragend guten Film ab, mit dem sie auch die Favoriten-Liste aller Kritiker anführen. Doch die Coens sind Veteranen.
Das Gefühl, etwas Tolles, Neues, Außergewöhnliches in Cannes entdeckt zu habe, hatte man bislang noch nicht – zumindest nicht im Wettbewerb.