Kultur

Ohrenbetäubender Jubel für Springsteen

Wie kann man jemandem, der noch nie dabei war, erklären, wie sich ein Konzert von Bruce Springsteen anfühlt?

Vielleicht mit dieser Szene: Bei „Waitin` On A Sunny Day" holt Springsteen einen kleinen Buben aus dem Publikum, gibt ihm das Mikrofon und lässt ihn den Refrain singen. Dann flüstert er ihm etwas ins Ohr und deutet auf die Musiker. Und der Bub brüllt ins Mikro: „Come on, E Street Band!" Danach hebt Springsteen den Buben wieder zurück ins Publikum und passt ganz genau auf, dass niemand dem Kind wehtut. Ein magischer Moment.

So fühlt sich ein Springsteen-Konzert an.
Das Konzert dauert da bereits zwei Stunden (da sind andere seit 30 Minuten unter der Dusche), hat aber noch weitere 90 Minuten vor sich.

Das Konzert hat zu viele magische Momente, um sie alle zu erzählen. Etwa das dahinrasende Gitarrensolo von Nils Lofgren in „Because The Night". Oder das große Rock-Theater in „Raise Your Hands" – Springsteen kniet auf dem Klavier. Oder der Moment, als er sich ans Piano setzt – er erfüllt Publikumswünsche – und sich die Chords von „Tougher Than The Rest" erst zusammensuchen muss, bevor er mit einer beseelten Version alle Zwischenrufe zum Verstummen bringt. Oder ...

Der stärkste Augenblick ist „Racing In The Streets": Unendlich zärtlich setzt er den Song aus ganz leisen Akkorden zusammen, lässt ihn wachsen und schließlich explodieren. Wenn man Rockmusik liebt – Unsinn, wenn man Musik liebt – muss man sich wirklich bemühen, an solchen Stellen nicht gerührt zu schlucken. Die körperlich ausgelebte Hingabe dieses Mannes für seine Musik ist zutiefst berührend. Bitte, der singt ja sogar mit geschlossenen Augen – und es ist keine Sekunde peinlich.

Das Konzert ist im Unterschied zu früher näher am Gospel als am Rock gebaut. Springsteen – der Mann ist Katholik und trägt ein kreuzförmiges Flinserl im Ohr – zelebriert es wie etwas, was in den Jugendtagen von Wolfgang Schüssel „rhythmische Messe" geheißen hat. Mit dem Unterschied, dass der Prediger hier der nach wie vor beste Rockperformer der Welt ist.

Objektiv lässt sich feststellen (wobei, was ist in der Kunst schon objektiv?): Die Konzerte im Happel-Stadion 2003 und 2009 waren stärker. Noch stärker. Aber wen kümmert`s? Danke, Herr Springsteen, für einen weiteren unvergesslichen Abend. Unvergesslich nicht nur für jenen Buben, der in 60 Jahren seine Enkel mit der Geschichte quälen wird: Ich habe einmal mit Bruce Springsteen gesungen.

KURIER-Wertung: ***** von *****