Kultur

"Nymph()maniac": Geschichten der Fleischeslust

Was Sex und Fliegenfischen miteinander zu tun haben, ist einfach erklärt. Natürlich geht es um das Anlocken der Beute. So wie der Angler seinen Fang aus dem Wasser holt, so zieht man mit knallroten Hotpants erst den Blick und dann den ganzen Mann auf sich. Wenn man das oft tut – wenn man sexsüchtig ist und Männer pflückt, wie sie kommen – ist man dann ein schlechter Mensch?

Diese Diskussion wird lang und ausgiebig gepflogen in Lars von Triers durchwegs unterhaltsam-ironischem und nur milde pornografischem Sex-Bildungsroman.

"Nymph()maniac" Teil 1 dekliniert menschliches Sexualverhalten in extremis anhand einer weiblichen Sexsüchtigen durch. Gleich zu Beginn findet ein älterer Herr namens Seligman (der patente Stellan Skarsgård) eine zusammengeschlagene Frau namens Joe (die mädchenhaft-düstere Charlotte Gainsbourg) in seinem Hinterhof und nimmt sie in Pflege. Wie einst Scheherazade beginnt Joe aus ihrem umtriebigen Leben zu erzählen und schlägt Seligman in ihren Bann. In den Rückblenden übernimmt Newcomerin Stacy Martin die Rolle der jungen Joe und wirft sich als weiblicher Don Juan in teils abstruse Sexabenteuer.

"Nymph()maniac": Ein Einblick

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Weltwissen

Ausgerechnet Shia LaBeouf in der Rolle eines kruden Mechanikers wird ihr erster Liebhaber und lebenslange Obsession. Der lauschende Seligman flankiert jede Episode der Lust mit bürgerlichem Weltwissen, zitiert Poe und extemporiert das Konzept der Polyphonie von Bach. Bei den Dialogen zwischen Joe und Seligman hört man förmlich Lars von Triers innere Stimmen streiten.

Dabei kommentiert der Regisseur das durchwegs depressive Geschehen mit einer heiter-distanzierten Bildsprache, blendet kleine Zahlenspiele ein oder lässt unvermutet Rammstein auf dem Soundtrack losbrüllen.

Wie leichthändig er große Tragödie in herrliche Farce kippen lassen kann, beweist er in einer hysterischen Szene mit Uma Thurman. Diese spielt eine betrogene Ehefrau, die plötzlich mit ihren drei Kindern in Joes Wohnung auftaucht und dort den untreuen Mann reklamiert. Mit Trauerflor in der Stimme wankt sie durchs Zimmer, zeigt ihren Kindern bebend das "Hurenbett" ("Merkt es auch, das ist gut für eure spätere Therapie!"), um sich schließlich derartig in Rage zu schreien, dass die Wände wackeln.

Ähnlich wie diese Szene schillert "Nymph()maniac" in allen Facetten – düster-humorvoll, anstrengend und ernst zu nehmend zugleich.

KURIER-Wertung:

INFO: "Nymph()maniac 1". 110 Min. DK/F/BL/D 2013, von Lars von Trier. Mit Charlotte Gainsburg, Stellan Skarsgård.

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Eine kaum denkbare Vorstellung: Eine Gruppe Nazis sitzt am Tisch und prahlt mit Gräueltaten, für die sie nie verurteilt wurde. Grinst dabei in die Kamera. Und beteiligt sich an einem Amateur-Film, in dem genau diese Taten im Stil von "Der Pate" laienhaft nachgestellt werden.

So ähnlich verläuft Joshua Oppenheimers breit diskutierte Doku, die indonesische Massenmörder vor die Kamera holt. Mitte der 60er- Jahre wurden dort rund eine Million angeblicher Kommunisten ermordet. Die Mörder mussten sich nie für ihre Taten verantworten und nehmen heute oft zentrale Positionen in der Gesellschaft ein.

Die, die er mit einem Drahtseil erwürgt habe, die würden ihn in seinen Albträumen besuchen, gibt einer der Täter zu. Aber Reue? Mitleid? Oppenheimer lässt seine Protagonisten Folterszenen nachspielen. Und erst, als er selbst ein Opfer spielen muss, empfindet einer dann so etwas wie Mitleid – Mitleid mit sich selbst als Opfer. Danach muss er kotzen. Ein monströser, schwer zu ertragender Film, der seinen Protagonisten manchmal emotional zu nahe ist.

KURIER-Wertung:

INFO: "The Act of Killing". Doku. DK/N/GB 2012. 115 Min. Von Joshua Oppenheimer. Mit Anwar Congo, Herman Koto.

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Als Denis Diderots Roman "Die Nonne" im Jahr 1792 erschien, sorgte er für einen Skandal: Rechnete der französische Romancier doch gnadenlos mit den Ungerechtigkeiten und Zwängen des Klosterlebens ab. Der Stoff über ein junges Mädchen, das unehelich gezeugt wurde und daher von der Mutter ins Kloster gesteckt wird, ist schonungslos, pikant und ketzerisch. Ein perfekter Filmstoff also: Jacques Rivette wagte sich 1966 an die Verfilmung. Nun tut es ihm Guillaume Nicloux gleich.

Nicloux konzentriert sich auf die erbarmungslosen Aspekte des Klosterlebens: auf Repressalien der Mitschwestern gegen die junge Suzanne und auf religiösen Fanatismus. "Wir haben in einem deutschen Kloster gedreht, das auch sehr beklemmend wirkte", erinnert sich "Suzanne" Pauline Etienne im Gespräch in Paris an die Dreharbeiten. "Ich war froh, jeden Abend wieder rausgehen zu können." Dennoch sei es reizvoll, "einen totalen Antagonisten zum eigenen Ich" spielen zu können, wie das hier der Fall war: "Ich habe neue Seiten an mir entdeckt. Vor allem jene, dass man sich vor nichts fürchten darf".

Mit der Religion hat es Mademoiselle Etienne nicht so: " Nein, ich bin nicht religiös. Ich glaube an keinen Gott. Wenn man schaut, was in der Welt passiert, kann man doch an keinen Gott mehr glauben". Sie habe im Zuge ihrer Recherchen mit einigen Nonnen gesprochen und empfinde großen Respekt für sie: "Ich habe sie nach ihren Motiven gefragt, weshalb sie sich hinter Klostermauern einschließen, beten und singen. Alle hatten ihre ganz eigenen Gründe. Der Welt zu entsagen ist sehr mutig."

Mit Isabelle Huppert als Mutter Oberin hatte Etienne kein Problem: "Erst erstarrte ich vor Ehrfurcht. Aber dann hab’ ich mir gesagt: Wir wollen doch alle einen guten Film machen. Es gibt keinen Grund, sich ihr unterlegen zu fühlen."

INFO: "Die Nonne". F 2013. 107 Min. Von Guillaume Nicloux. Mit Pauline Etienne, Isabelle Huppert.

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Innerhalb einer Woche hatten leidenschaftlichen Fans für diesen Film eine Million Euro (!) gespendet: Crowdfunding heißt die Form dieser Finanzierung, wenn staatliche Förderstellen kein (oder nicht genug) Geld für einen Film hergeben wollen. Die Fans, man darf es prophezeien, werden nicht enttäuscht sein. " Stromberg" ist die beste deutsche Komödie der letzten Zeit: der Kinofilm um diesen herrlich schrecklichen Abteilungschef als fulminanter Schluss der gleichnamigen Comedy-Serie. Die fiktive Versicherungsgesellschaft Capitol macht diesmal eine Firmenfeier, und Stromberg geht nicht hin. Stattdessen schickt er ein Video. Natürlich fährt er dann doch hin, um ganz nach dem Motto "Lass das mal den Papa machen, der Papa macht das gut" Gruppensexpartys und Rationalisierungspläne der Chefetage zu enttarnen. Witzig, clever, politisch inkorrekt: "Wenn man einen Mann feuert, erzeugt man einen Arbeitslosen. Wenn man eine Frau feuert, erzeugt man eine Hausfrau." Und ja, was die Arbeitsmarkt-Komödie betrifft, geht es hier beklemmend zeitgemäß zu.

KURIER-Wertung:

IMFO: Stromberg. Komödie. D 2014. 110 Min. Von Arne Feldhusen. Mit Christoph Maria Herbst. Bjarne Mädel.

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"Monuments Men – Ungewöhnliche Helden"

Kriegsfilm. Sie wollten dafür sorgen, dass die Mona Lisa auch noch nach dem Zweiten Weltkrieg lächelt: "The Monuments Men", eine Gruppe amerikanischer Kunsthistoriker, Architekten, Museumsdirektoren und Kuratoren, die die von Nazis geraubten Kunstschätze retten wollten. George Clooney verfilmte die heldenhafte Story Pathos-geladen, holzschnittartig und mit pädagogischer Pedanterie. Trotz gutem Cast und bemüht humorvollem Unterton mündet alles in US-patriotischer Kalter-Krieg-Rhetorik.

KURIER-Wertung:

Mehr über die "Monuments Men" finden Sie hier.

"Tarzan 3D"

Mehr als 100 Tarzan-Filme gibt es bereits. Diesen Lianenlangeweiler hätte es sicher nicht gebraucht. Nur damit es auch einen ersten deutschen Film im Motion-Capture-Verfahren (zuletzt in "Tim und Struppi") gibt?

KURIER-Wertung:

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