Kultur

Jacques Rivette: Ein Fanatiker des Kinos ist tot

Der Name von Jacques Rivette und die Nouvelle Vague sind untrennbar miteinander verbunden. Zwar stehen im französischen Kino der 50er- und 60er-Jahre Jean-Luc Godard, François Truffaut und Claude Chabrol im Mittelpunkt: Rivette hat bis heute nicht deren Berühmtheiterlangt. Doch er war es, der laut Truffaut den Anstoß zur französischen Nouvelle Vague gab und der "von uns allen Fanatikern der Fanatischste war".

Zu Jacques Rivettes bekanntesten Kinoarbeiten zählt ein späteres Werk aus seinem Filmschaffen, "Die schöne Querulantin" von 1991 – in Cannes mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet. Darin posiert die schöne Emmanuelle Béart als nacktes Model vor einem gealterten Maler (Michel Piccoli) und gerät mit ihm in Konflikt. Rivettes Drama stellte Sehgewohnheiten auf die Probe, schon allein deswegen, weil es knapp vier Stunden andauerte. Typisch Rivette, könnte man sagen, der mit seinen sehr langen und komplexen Filmen das Publikum herausforderte.

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Vom Filmkritiker zum Filmemacher

Wie viele der maßgeblichen Regisseure seiner Zeit näherte sich Rivette dem Filmemachen über seine Arbeit als Filmkritiker an. Geboren 1928 in Rouen, brach der Apothekersohn nach Paris auf, "dem einzigen Ort, wo es möglich war, Filme zu machen", wie er später dem Filmkritiker Serge Daney erzählte. Gleich seinen ersten Abend in der neuen Stadt verbrachte er im Kino und sah sich einen Bresson-Film an.

Bei seinen Besuchen der Cinématèque Française traf Rivette regelmäßig auf Truffaut, Godard und Eric Rohmer und schrieb selbst Filmkritiken. Er profilierte sich als scharfzüngiger Kritiker in der legendären Filmzeitschrift Cahiér du Cinema, wo er Anfang der 60er-Jahre auch als Chefredakteur fungierte. Wie die meisten seiner Kollegen bewunderte Rivette das amerikanische Genre-Kino von John Ford, Nicholas Ray und Alfred Hitchcock.

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Provokation für Zensur

Bereits mit seinem zweiten Spielfilm "Die Nonne" provozierte er die französische Zensur. In seiner Verfilmung von Denis Diderots Roman gerät Anna Karina als unfreiwillige Nonne an Liselotte Pulver als Äbtissin mit lesbischem Begehren. Der Film wurde 1966 nach seiner Aufführung in Cannes verboten, weil er "Gefühle und das Gewissen der katholischen Bevölkerung verletzte".

Rivette arbeitete immer wieder mit denselben Schauspielern, darunter Anna Karina, Bulle Ogier, Michel Piccoli oder Jane Birkin. Sie alle mussten zur Improvisation bereit sein, denn Rivette war bekannt dafür, Texte oft erst am ersten Drehtag zu verteilen. Sein letzter Film "36 Ansichten des Pic Saint-Loup" (2009) mit Jane Birkin als ehemaliger Zirkuskünstlerin war für Rivette-Kenner mit 84 Minuten überraschend kurz. Nun ist Jacques Rivette im Alter von 87 Jahren gestorben.

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