Kultur

Neil Young bittet zum Watschentanz

Lieben heißt Geduld haben. Und wer weiß das besser als der Neil-Young-Fan?

Bei dem Alten (69) weiß man nie: Schmeißt er jetzt ein Meisterwerk raus? Oder irgendein obskures, versponnenes Zeug, mit dem er seine Plattenfirma ärgern will? Oder noch schlimmer: Irgendetwas Durchschnittliches, voll mit müdem Hippie-Folk oder gelangweiltem Mittelklasse-Rock?

Wenn Neil Young ein neues Album ankündigt, kann es etwas Aufregendes, Funkensprühendes, sogar Radikales werden – oder in der Badewanne aufgenommene finnische Polka-Coverversionen. Zuletzt war der Rhythmus so: Stark ("Chrome Dreams II") – Durchschnitt ("Fork In The Road") – seltsam, aber toll ("Le Noise") – Themenverfehlung ("Americana") – Meisterwerk ("Psychedelic Pill") – jenseitig ("A Letter Home") – fad ("Storytone").

Und damit sind wir bei den guten Nachrichten: "The Monsanto Years", Neil Youngs 37. Studioalbum, ist weder müde noch gelangweilt. Es ist in seinen stärkeren Momenten auch weit von der Durchschnittlichkeit entfernt.

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Das Album bezieht einen Großteil seiner Kraft aus purer Wut: Neil Young heult gegen den Saatgut-Monopolisten Monsanto an (wegen seiner Geschäfte mit Gentechnik DER Todfeind aller Anti-Konzernmacht-Bewegten). Und Young attackiert die Kaffee-Kette Starbucks, weil diese mit Monsanto kooperiert. Und wenn er schon dabei ist, kriegen Aktiengesellschaften, Politiker und andere Böslinge auch ihre Watschen.

Ohne sich hier in die höchst komplizierte Debatte einmischen zu wollen: Die Wut steht dem Musiker Young gut zu Gesicht. Wenn er bellt "Fascist politicians and chemical giants walking arm in arm", dann ist das zwar in keiner Weise subtil, aber es hat Kraft. Mit dieser Kraft im Schlagarm darf der immer noch faszinierende Gitarrist auch "Let our farmers grow what they want to grow" auf "Monsanto" reimen, und es ist fast nicht peinlich.

Familie Nelson

Als musikalische Begleiter hat sich Young diesmal die programmatisch benannte Formation Promise Of The Real ausgesucht. Diese besteht im wesentlichen aus den Brüdern Lukas und Micah Nelson – den Söhnen seines alten Freundes, Kiffer-Kumpels und Farm-Aid-Partners Willie Nelson. Sie schieben Youngs Rumpel-Rock wieder näher an den Country.

Fazit: Young als unheilbaren Alt-Hippie zu verspotten, ist eine leichte Übung. Aber immerhin will er etwas. Das ist selten geworden im Rock.

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