Kultur

Nationalität: Blutgruppe A mit ein bisschen Alkohol

Der schönste Satz dieses Textes fällt, als der k. u. k. Untersuchungsrichter Leo Pfeffer, ein kroatischer Jude aus Wien, der in Sarajevo lebt und eine serbische Freundin hat, entnervt ausruft: "Ich habe dieses ganze nationalistische Getue satt! In meinen Adern fließt weder slawisches, noch deutsches, noch jüdisches, noch ungarisches Blut – in meinen Adern fließt Blut der Blutgruppe A eins B, Rhesusfaktor positiv!"

Und sein Freund, der stets durstige Amtsarzt Dr. Sattler, ergänzt: "Bei mir kommt noch ein bisschen Alkohol dazu." Kann man besser umschreiben, was einen Österreicher ausmacht? Wir sind Konglomerate!

Bilder aus "Die Schüsse von Sarajevo"

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Es wird ihm übrigens nichts nützen, dem Leo Pfeffer. Am Ende wird er doch an die Front geschickt, strafweise. Weil er bei der Untersuchung des Attentats auf Franz Ferdinand nicht fleißig genug Kriegsgründe gegen Serbien produziert hat. Und weil er selbst in den Fall hineingezogen wurde: Der Sohn seiner serbischen Geliebten wird verhaftet, um den störrischen Untersuchungsrichter gefügig zu machen. Am Ende verliert er alles, sogar seine Identität.

Der historische Leo Pfeffer hat den Krieg übrigens überlebt und später seine Version der Geschehnisse aufgeschrieben.

"Die Schüsse von Sarajevo", am Donnerstag im Theater in der Josefstadt uraufgeführt, ist ein Theaterstück, das Milan Dor gemeinsam mit Stephan Lack geschrieben hat, nach Motiven des Romans "Der letzte Sonntag" von seinem Vater Milo Dor.

Der Text ist stark und spannend, er eignet sich aber nur bedingt für die Bühne, sondern eher für einen TV-Film (der ORF zeigt am 23. April seine Version des Stoffes, "Das Attentat Sarajevo" von Andreas Prochaska, mit Florian Teichtmeister als Leo Pfeffer).

Unterricht

Regisseur Herbert Föttinger betont im düsteren, an ein Gefängnis ebenso wie an eine Industrie-Ruine erinnernden Einheitsbühnenbild von Walter Vogelweider die brütende Atmosphäre des Vorkriegssommers von 1914. Dadurch wird das Geschehen statisch, es gibt keine Tempowechsel – und das Stück erinnert immer wieder an dramatisierten Geschichtsunterricht.

Das ist aber der einzige Vorwurf, der dieser hoch anständigen, dem Gedenkjahr 2014 maßangefertigten Aufführung zu machen ist. Erwin Steinhauer spielt den Leo Pfeffer großartig verhalten, als schweren Mann, der seine Emotionen unter Fettschichten begräbt. Sehr gut spielt bei ihrem Josefstadt-Debüt Julia Stemberger als Pfeffers Geliebte Marija, die ganz Gefühlsmensch ist.

Das Ensemble ist stark. Erwähnt seien Josef Ellers, Alexander Absenger und Matthias Franz Stein als Verschwörer und Siegfried Walter als Dr. Sattler.

Fazit: Dieses Stück wird wohl kaum dauerhaft einen Platz in den Spielplänen finden, als Kommentar zum Weltkriegs-Erinnerungsjahr und als bittere Analyse funktioniert es gut: Im Spiel der Mächte kann sich der Einzelne noch so sehr um Integrität bemühen, er zählt nicht.

KURIER-Wertung: