Musikszene in der Krise: Nachteile für die Pop-Branche
Schon 2017 war die Einkommens-Situation der österreichischen Musikschaffenden - trotz hoher Kreativität - nicht rosig. Nach einem Bericht des Bundesministeriums galten schon damals 35 % als einkommensschwach - also armutsgefährdet. Dagegen standen nur 8 %, die als einkommensstark galten. Mit der Corona-Krise, ist sich Musikwirtschaftsforscher Prof. Peter Tschmuck von der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien sicher, werden viele mehr von den 57 % mit einem mittleren Einkommen in die Armutsgefährdung abrutschen.
„Wie viele das sein werden, ist vor allem von der Dauer der Krise abhängig“, erklärt Tschmuck im KURIER-Interview. „Ich erwarte zwar, dass dadurch, dass alle zuhause sind, mehr gestreamt wird. Dass das aber, wie es jetzt in so vielen Aufrufen heißt, verstärkt österreichische Künstler sein werden, bezweifle ich. Der Streaming-Boom läuft und wird durch Corona beschleunigt werden. Aber dadurch, dass dabei so ein starkes Ungleichgewicht zwischen den Einnahmen der Verwerter und der Künstler herrscht, wird das keinen großen Effekt haben. Weil außerdem auch ein Ungleichgewicht zwischen den Streaming-Einnahmen von Superstars und weniger bekannten Künstlern herrscht, werden davon eher die Superstars profitieren.“
Unterschiede in den Auswirkungen, die die Corona-Krise auf den österreichischen Musikmarkt hat, sieht Tschmuck im Klassik-Betrieb und im Pop. „Im klassischen Bereich ist die Infrastruktur für Förderungen schon vorhanden und etabliert. Im Pop gibt es sehr wenige Förderstrukturen. Und der Anteil an Künstlern, die in einer vertraglichen Beziehung zu Kultur-Institutionen stehen und somit ein fixes Einkommen haben, ist höher als im Pop. Es gibt zwar auch in der Klassik viele, die auf Projekt- und Honorarbasis arbeiten, aber im Pop sind die meisten Künstler selbständig und Ein-Personen-Unternehmen. Sie haben von den Live-Konzerten gelebt und haben jetzt von einem Tag auf den anderen keine Einnahmen mehr.“
Dazu kommt, dass Popmusiker ohnehin schon vor der Krise sehr häufig zusätzlich in anderen Jobs arbeiten mussten, weil das durchschnittliche Jahreseinkommen aus der Musik in Österreich schon bisher bei nur 5000 Euro lag.
Ein Problem ist auch die Vernetzung des Live-Geschäfts mit anderen Branchen. Hat zum Beispiel ein Musiker jetzt noch ein paar Gagen von Auftritten im Jänner oder Februar ausständig, muss es nicht sein, dass er damit jetzt die Zeit des Stillstands überbrücken kann. Denn wenn der Veranstalter durch die Krise nicht liquid ist, kann der diese Gage nicht ausbezahlen.
Das Veranstaltungsverbot trifft aber nicht nur Musiker und Veranstalter. „Probleme wird es auch beim Ticketing, den zuliefernden Cateringunternehmen bei den Sound- und Lichttechnikern und den Transportunternehmen geben, die internationale Tourneen abwickeln und die Trucks und die Busse stellen“, sagt Tschmuck. „Denn die sind auf Pop-Tourneen spezialisiert und können nicht gleich darauf umsteigen, Lebensmittel zu transportieren.“
Und dabei mischen durchaus auch österreichische Unternehmen kräftig mit. „Beat The Street“, das Nightliner-Busunternehmen des Tirolers Jörg Philipp, hat mit 130 Bussen und 260 Mitarbeitern in den letzten Jahrzehnten Stars wie Madonna, Eric Clapton, AC/DC, Paul McCartney und Coldplay durch ganz Europa gekarrt. Dieser Betrieb der großen internationalen Tourneen könnte jetzt sogar noch länger stillstehen, als kleinere Österreich-Tourneen von heimischen Musikern. Denn ist das Virus bei uns besiegt ist, heißt das noch lange nicht, dass es auch in den USA oder England besiegt ist, weltweit alle Flug- und Reisebeschränkungen aufgehoben und damit umfassende Tourneen wieder möglich sind.