Kultur/Musik

"Harvest of Art": Sonne, Punk und Elvis-Tolle

Liebe Freunde, holt die Rasierklingen raus. Wer macht diesen Sommertag mit rabenschwarzer Musik kaputt? Get Well Soon!" So kündigte Konstantin Gropper Samstagnachmittag bei der zweiten Auflage des "Harvest Of Art"-Festivals im Zelt von Wiesen seine Band an. Und er hatte recht: Irgendwie schien sein melancholischer Sound nicht in diese entspannte Atmosphäre zu passen: Perfektes Festival-Wetter – blauer Himmel, angenehme Wärme statt glühender Hitze -, dazu Vorgruppen wie Giantree aus Wien, Trevor Powers mit den verträumten Sounds seines Projekts Youth Lagoon und der Indie-Pop der Kopenhagener Eclectic Moniker, die Art-Rock auf den Spuren von Sting oder Peter Gabriel mit Calypso mischen.

Eindrücke vom "Harvest of Art"

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All das hatte 6.000 Festival-Besucher durch einen sorgenfreien Nachmittag getragen und geschunkelt. Und jetzt der Deutsche mit seiner Sehnsucht nach – was auch immer! Ein toller Sound ist das, keine Frage. Get Well Soon haben dutzende Saiten-Instrumente von normal groß bis winzig mitgebracht. Dazu Flöte, Geige, Bläser, Xylophon und natürlich Bass, Drums und Percussion. Im Zusammenspiel verschmilzt das zu einem orchestralen Klangbild, das Pop mit Filmmusik und Drama mit purer Schönheit vereint. Gropper krönt das mit seiner viele Tonlagen umfassenden Stimme, eingängigen Melodien und Songs über Roland Emmerich, Geister und Dämonen. Aber so richtig tief geht das heute nicht, wenn die Sonne strahlt, die Kumpels und Freundinnen in Reichweite und Krügerl und Spritzer kalt sind.

Girl-Power und Teddybär

Kate Nash liefert dann aber ohnehin ein Kontrastprogramm. Nachdem die Britin von der Plattenfirma gefeuert wurde und eine „schwierige Trennung“ durchmachte, hat sie mit „Girl Talk“ ein wütendes, punkiges Album aufgenommen. Diesen Sound zieht sie mit einer genauso dynamischen wie souveränen Girl-Band durch das ganze Programm und bringt die Massen mit ihren feministischen Songs zum ersten Mal zum Singen, Tanzen und Johlen.

Auch Bloc Party drücken danach mit fiebrigen Gitarren-Riffs und zappelndem Bass auf’s Tempo. Sänger Kele Okereke tanzt dazu wie ein Teddybär, Kate Nash oben auf der VIP-Tribüne wie ein Derwisch, und das Publikum stimmt fröhlich ein, wenn Okereke seine Stimme zwischen brummend-tief und Sopran-hoch hin und her biegt. „We Found Love“ und „One More Chance“ sind Highlights.

Superstarposen und Elvis-Tolle

Doch das Beste kommt noch. Den ganzen Nachmittag hat der Wiesen-Zug Wagenladungen von Mädchen am Sprung zwischen Matura und Studium ausgespuckt, die einzig und alleine wegen der Arctic Monkeys gekommen sind. Oder besser: wegen deren Frontmann. Alex Turner, war kaum 19, als er mit einem beispiellosen Hype - ohne Live-Erfahrung und ohne Album - mit zwei zufällig im Internet gelandeten Songs auf Platz eins der britischen Charts gespült wurde.

2005 war das. Jetzt sind die Arctic Monkeys bei ihrem fünften Album angelangt, das im September erscheinen wird. „AM“ haben sie es genannt. Nach dem Bandinitialen, weil sie sich „als Band stark fühlen“, hatte Turner am Nachmittag im KURIER-Interview erklärt. Das zeigt er jetzt beim Auftritt deutlich: Er ist vom zaghaften Schüchti zu einem charismatischen, selbstsicheren Fontmann gereift.

Mit Elvis-Tolle, Superstarposen und einem unwiderstehlichen Augenaufschlag hat er die weiblichen Harvest-Besucher sofort in der Hand. Und braucht auch nicht lange, um die Männer dazu zu kriegen. Denn neben dem unverwechselbaren, vorwärtstreibenden Indie-Gitarren-Sound und der perfekt eingespielten Band hat er rotzige, nonchalante Texte, die genauso intelligent und spitz, wie spitzfindig formuliert sind. „Don’t Sit Down Cause I’ve Moved Your Chair“, in dem Turner sich weigert, mit einem Grizzly ins Geschäft zu kommen, oder „Fluorescent Adolescent“, bei dem er sich frustriert durch ein Buch von Sex-Tipps wühlt, sind Klassiker.

Hymnen, die die "Harvest Of Art"-Besucher begeistert aufnehmen. Genau wie „Brick By Brick oder der größte Arctic Monkeys Hit „I Bet You Look Good On The Dance Floor“. Da fordert Turner die Unterstützungall der „so many beautiful ladys“ ein. Aber die hatte er ohnehin von Anfang an.