Musik für Bahnfahrten
Von Georg Leyrer
Die Österreicher und die Deutschen trennt, dem Bonmot nach, die gemeinsame Sprache. Und manchmal auch die Musik. Oft ist klar, warum: Die Kölschrocker BAP oder der Ostbahn-Kurti sind eher nicht austauschbar. Manche musikalische Grenze aber ist weniger leicht zu erklären. Das Elektronikmusikprojekt Schiller etwa, ein deutsches Phänomen, das in Österreich nie recht funktioniert hat. Dabei macht der sympathische Christopher von Deylen Musik, die eigentlich keinen Ort kennt. In Deutschland füllt er damit die Charts und die Hallen.
Schiller, das ist ätherische Begleitmusik für Schnellbahnfahrten durch Stadtrandgebiete. Aus Konzerten geht man nach zweieinhalb Stunden ohrwurmfrei und unbelastet nach Hause. Ein Schönklang-Gegenentwurf zum deutschen Emotionspopschwulst, luftige Musik, die sich vom großen Gefühl fernhält. Vangelis und Jean Michel Jarre schauen da ums pophistorische Eck. Ja, er hätte am liebsten in den 1970ern Musik gemacht, „damals gab es zum ersten Mal die technischen Möglichkeiten, etwas zu machen, was wirklich neu war“, sagt von Deylen zum KURIER. Das sei heute „sehr, sehr schwer, fast nicht möglich“.
Hell
Schiller lebt von simplen, verhallten Melodien, am Dancefloor geborenen Midtempo-Beats, und ist frei jeder Dunkelheit. Die Musik geht so locker mit Zeit um wie sonst nur Film-Soundtracks und DJs in Großtanzhallen: Sie hat es nicht eilig, zu überzeugen, sondern fließt freundlich vor sich hin. Und zieht den Zuhörer über große Bögen hinweg in ihren Bann. „Ich kann gar keine Singles machen“, sagt der Musiker. „Drei Minuten sind echt kurz.“ Schiller-Auftritte in Deutschland sind nicht nur riesig und ausverkauft, sondern ein fast klassisches Konzertbetriebserlebnis: Man sitzt, hört und applaudiert, wenn der Song aus ist.
Zahlreiche popkulturelle Lokal- und Internationalgrößen finden sich gerne auf Schiller-CDs (2012 landete zuletzt auch „Sonne“ auf Platz eins der Albumcharts) wieder: Xavier Naidoo, Colbie Caillat, der weit unterschätzte Peter Heppner („I Feel You“) waren alle schon mit dabei.
Unheilig
Und auch, nicht nur zur Freude der Schiller-Fans, der „Graf“ von Unheilig. „Ich war bestürzt, dass viele sagen: Den kann ich überhaupt gar nicht ertragen. Der ist wirklich, wirklich nett, die Verachtung verstehe ich überhaupt nicht“, sagt von Deylen. „Auch bei Naidoo sagten viele: Muss das sein? Aber das muss man riskieren.“ Warum aber sind die Österreicher schwerer zu erobern als die Deutschen? „Tja, ich weiß es nicht genau“, sagt von Deylen. „Aber ich bin eigentlich ganz zufrieden. Es würde auch nicht helfen, wenn ich es nicht wäre.“