Kultur

"Mary Poppins" ab Oktober im Ronacher

Supercalifragilisticexpialigetisch. Am berühmten Zungenbrecher im Musical "Mary Poppins" (Premiere: 1. 10.) im Ronacher verhaspeln sich die Darsteller nicht mehr.

Geprobt wird unter Hochdruck "eine Show mit Herz und hohem Unterhaltungswert", sagt Regisseur Anthony Lyn. "Dabei spielen Kinder den wichtigsten Part. Sie stehen tatsächlich mehr auf der Bühne als die Titelfigur." Die dabei gezeigte Version mit "dem aufklappbaren Puppenhaus wurde einmal für eine Tournee entwickelt und bekam nun für Wien ein neues Design", sagt Vereinigte-Bühnen-Wien-Intendant Christian Struppeck im KURIER-Gespräch. Er hatte, noch bevor er den Film gesehen hatte, als Kind "Mary Poppins" auf Schallplatte: "Dann schrieb ich auf meiner Schreibmaschine nach Hollywood, dass ich das auf die Bühne bringen möchte. Damals war ich zwölf. Und nach sechs Wochen kam ein Brief: ,Vielen Dank, aber leider geht das nicht.‘ Da war ich enttäuscht. Aber jetzt habe ich alles nachgeholt."

Basierend auf dem gleichnamigen Walt-Disney-Filmklassiker und dem 2004 im Londoner Prince Edward Theatre uraufgeführten Musical bringen die VBW die Geschichte des magischen Kindermädchens der Familie Banks in Wien in der deutschsprachigen Erstaufführung heraus. Mit den bekannten Filmnummern der Brüder Robert B. und Richard M. Sherman wie "Chim Chim Cheree" oder "Wenn ein Löffelchen voll Zucker" ...

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Triumph der Ideale

Um die Welt etwas besser zu machen, schuf die Schriftstellerin Pamela L. Travers, die Wert auf die Feststellung legte, sie habe "niemals für Kinder geschrieben", einst die patente Dame mit dem Schwebeschirm – das zweifellos verrückteste und beliebteste Kindermädchen der Literatur.

Kapriziös und geheimnisvoll bringt sie mit ihren magischen Fähigkeiten den Kindern unaussprechliche Wörter bei, zaubert bittere Medizin süß, bringt sie zum Lebenskünstler Bert ...

"Sie erschließt den Kindern eine Welt voller Magie und lehrt sie, die Welt anders zu sehen und bereit zu sein, Neues zu entdecken", so die Dramaturgin Elisabeth Gruber.

Der technische Aufwand und der Support von Disney & Cameron Mackintosh ist beeindruckend: "621 Manntage zu jeweils acht Stunden waren zur Installation der in zwölf 16-Tonnen-Trucks angelieferten Bühnentechnik nötig", erzählt Gruber. "420 historische Kostüme aus dem Jahr 1912 sind im Einsatz. Und 48 Maschinen in mehr als 50 Bildern führen 355 Bewegungen in 140 Minuten aus."

Allein zwölf Techniker sorgen dafür, dass Bert die Wand hinaufgehen und Mary durch die Lüfte fliegen kann. Kurzum: Dass die Illusion einer Welt voller Magie perfekt wirkt.

"Das ist sicher eines der aufwendigsten Stücke, das wir jemals gemacht haben", sagt Struppeck. "Wir mussten durch die Unterstützung nicht alles selber bauen, was auch gar nicht möglich gewesen wäre."

Und wie lange wird das Stück im Ronacher zu sehen sein? Nach den Erfahrungen mit einer allzu frühzeitig enden wollenden Publikumsnachfrage zuletzt bei "Natürlich blond" und "Der Besuch der alten Dame" kalkuliert man vorsichtig und plant nur für eine Saison.

Über 20 Jahre lang kämpft Walt Disney, Erfinder der Micky Maus und Mogul einer riesigen Unterhaltungsindustrie um die Filmrechte von "Mary Poppins". So lange wehrte sich die australisch-britische Autorin, die unter dem Namen P. L. Travers schrieb, gegen eine Hollywood-Verfilmung. Schließlich willigte sie doch ein und gab grünes Licht für einen Welt-Hit: "Mary Poppins" (1964) – die Geschichte eines magischen Kindermädchens, das die Kinder einer Londoner Familie von 1910 betreut – zählt heute zu den Musical-Klassikern. Die Mischung aus Live-Action und Animation erntete fünf Oscars. Außerdem startete es die Filmkarriere von Julie Andrews: Andrews übernahm die Rolle der singenden und fliegenden Mary Poppins, nachdem ihr Audrey Hepburn die Rolle der Eliza Doolittle für die Verfilmung von "My Fair Lady" weggeschnappt hatte.

Der Amerikaner Dick Van Dyke spielte Bert, Mary Poppins engen Freund, und mühte sich sehr mit den Londoner Cockney-Akzent ab. Später entschuldigte er sich damit, einen irischen Sprach-Coach gehabt zu haben, "der den Akzent genauso wenig konnte wie ich." Die Songs schrieben die legendären Sherman-Brüder und erhielten dafür ebenfalls einen Oscar.

Erst letztes Jahr machte Disney mit der Tragikomödie "Saving Mr. Banks" einen Film über die Entstehung des Disney-Films: Tom Hanks spielt darin den kalkulierenden Geschäftsmann Walt Disney, der sich um die schrullige Autorin P. L. Travers – genial gespielt von Emma Thompson – bemüht. Nachdem sie sich lange geweigert hatte, Mary Poppins in eine "dumme Trickfigur" verwandeln zu lassen, wurde ihr im Jahr 1961 allerdings das Geld knapp. Disney wittert seine Chance und lockt sie nach Los Angeles. Am Ende sitzt P. L. Travers in der Premiere von "Mary Poppins" und schluchzt. Glaubt man ihren Biografen, weinte sie aus purer Verzweiflung.